Offen gesagt: Mehr Eitelkeit wagen

Wuppertal. Die Planung war eine andere. Eigentlich sollte heute auf der ersten Lokalseite dieser WZ-Ausgabe der Kampf um mehr Eitelkeit, mehr Selbstwertgefühl, mehr Sinn für Ästhetik begonnen werden.

WZ-Wuppertal Lokalchef Lothar Leuschen

Foto: Schwartz, Anna (as)

Aber die Idee ist gescheitert, krachend, und, um ehrlich zu sein, ein bisschen deprimierend. Seit gut einer Woche ist die Fassade der Brücke nun fertig, die den Tunnel zwischen Poststraße und Döppersberg ersetzt. Das ist ein echter Fortschritt — auf den ersten Blick. Doch schon auf den zweiten Blick folgt die Ernüchterung. Wirklich schön ist diese Brücke nicht. Aber was noch viel schwerer wiegt, es regt niemanden auf. Alle Versuche, im Rathaus oder in den wichtigen Parteien Mitstreiter für die Idee zu finden, die Architekten dieser Lehrlingsarbeit zur Nachbesserung zu bewegen, führten zu nichts. Die Reaktionen gipfelten in der vollständig entwaffnenden Erklärung eines Spitzen-Wahlbeamten, er habe die Optik noch schlimmer erwartet. Also ist sie für ihn so hinnehmbar, wie sie nun hingekleckst wurde.

Während Ratspolitiker sich kraftschonend auf den Hinweis zurückziehen, daran sei ja nun wohl nichts mehr zu ändern, machen wenigstens viele Wuppertaler Architekten aus ihren Herzen keine Mördergruben, haben sogar Verbesserungsvorschläge. Inoffiziell. Offiziell schweigen sie. Die Leute wollen dann und wann noch Aufträge von der Stadt bekommen. Da ist zu viel Ehrlichkeit hinderlich. Leider.

Unter dem Strich steht nun also eine Geschäftsbrücke, an deren Fassaden, vermeintlich schief riesige Schilder prangen, die jedem verraten, wie er auf dem kürzesten Wege nach Düsseldorf kommt. Glückwunsch! Sehr gute Idee im Hinblick auf die Kundenbindung an das neue Einkaufszentrum Wuppertals. Das passt in der Qualität zur Brücke, die gleich nebenan den neuen Busbahnhof mit dem dringend verschönerungsbedürftigen ehemaligen Kaiserhof verbindet. Die schwarzbraune Stahlplanke erinnert an das Erstlingswerk eines wenig talentierten Zeichners. In Kindergärten werden Übergänge auch gern so gemalt.

Das ganze wäre vielleicht gar nicht so tragisch, handelte es sich bei der Umgestaltung des Döppersbergs nicht um ein so wichtiges Projekt. Weit mehr als 300 Millionen Euro stecken die Stadt und private Investoren in die Baustelle. Da hätte es sehr viel Sinn gehabt, behutsam mit Flächen und Optik umzugehen. Doch der Bau für den Textildiscounter Primark wurde ohne wirklich triftigen Grund viel zu weit an die Bahndirektion geschoben und die beiden Brücken sind ein Witz. Dieser nachlässige Umgang mit dem Aussehen der Stadt passt zur architektonischen Stangenware, die das Briller Viertel zunehmend verunziert.

Düsseldorf ist in seiner bräsigen Selbstgefälligkeit sicher kein Vorbild für Wuppertal. Aber die offenkundige Beliebigkeit, mit der am Döppersberg eine Weiche für die Zukunft Wuppertals gestellt wird, hätte Düsseldorf sich nicht bieten lassen.

Im Barmer Rathaus stört das keinen. So etwas wie ein Wuppertaler Selbstwertgefühl oder Sinn für Ästhetik in der Stadtplanung scheint es dort nicht zu geben. Also besser zweite Wahl als gar nichts? Nein. Besser gar nichts als zweite Wahl. Wuppertal muss viel mehr Eitelkeit wagen.

Vielleicht kommt ja doch noch wer auf den Gedanken, wenigstens an den Brücken zu retten, was zu retten ist. Es ist nie zu spät.