Offen gesagt Wenn, dann aber richtig

Sechs Wochen Kontaktverbot, sechs Wochen kein Restaurant, keine Kneipe, kein Kino, kein Theater, keine Party, kein Friseur. Eltern sagen die Konfirmation ihrer Kinder ab, Paare ihre Hochzeiten. Das Leben ist auf den Kopf gestellt.

Und jeden Tag kommt jemand anderer um die Ecke, der dies vorschlägt oder jenes fordert. Nun also der Mund-Nase-Schutz, die Billigmaske, die jeder im Schrank hat und die helfen soll, dem Corona-Elend eine Ende zu setzen. Es ist zwar bemerkenswert, wie viele gute Eigenschaften die Pandemie in Menschen zum Vorschein gebracht hat, es ist faszinierend, wie kreativ viele mit diesem Ausnahmezustand umgehen, und es ist fast schon ermutigend, dass Covid 19 es schafft, Wuppertal, Solingen und Remscheid im Sinne der Sache gemeinsam voranschreiten zu lassen. Wann hat es das zuletzt gegeben? Aber die Jubelrufe aus den Rathäusern, das klammheimliche Feixen darüber, es der Landesregierung vermeintlich aufgezwungen zu haben, ab Montag die allgemeine Maskenpflicht auszurufen, ist nur ein kurzes und auf ganz wenige Menschen begrenztes Vergnügen, wenn nicht bald der Durchbruch gelingt im Kampf gegen das Virus. Es schmälert die Leistung der drei Städte kaum, dass Münster und Dorsten mit der Maskenpflicht ein paar Tage schneller waren. Aber jetzt ist es an der Zeit, den kleinen Achtungserfolg zu vergolden. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass die Landesregierung den Wünschen von Städten gehorcht, die nicht Düsseldorf, Köln, Essen oder Dortmund heißen. Wuppertal, Solingen und Remscheid spielen leider selten eine Hauptrolle. Jetzt haben sie es getan. Für ein paar Stunden gehörte ihnen die große Bühne. Nun muss Leistung folgen, damit dem Applaus ein Jubelsturm folgt.

Tatsächlich geht es nämlich nicht um einen Wettbewerb, wer zuerst was gefordert hat. Es geht darum, eine Zeit zu beenden, die es so in Deutschland nach der Nazidiktatur nicht mehr gegeben hat. Grundrechte sind eingeschränkt, Rechte zum Teil, um die es in der Vergangenheit blutige Straßenkämpfe gab. Es gilt, jenen wieder gerecht werden zu können, die sich nicht selbst helfen können, beispielsweise alten Menschen, die wegen dieses Virus in Angst vor der Lungenkrankheit leben und deshalb womöglich in Einsamkeit sterben. Es ist Zeit, dass der Tod wieder seine angestammte Rolle im Leben spielt und nicht mehr Star in den Nachrichtensendungen ist. Es reicht.

Deshalb sind jetzt genug Verordnungen erlassen und Rechte eingeschränkt worden. Langsam muss die Ernte beginnen. Aber die Saat gedeiht nur dann, wenn irgendwer sich darum kümmert, dass sie nicht von Disziplinlosigkeit, Ignoranz und Dummheit zertreten wird. Wer in den vergangenen Tagen wachen Auges durch Wuppertal gegangen ist, hat immer noch zu viele Leute sehen können, denen Abstandsgebote und Verhaltensregeln völlig egal sind. Da wird aus einer Flasche getrunken, in die Gegend gespuckt, in den Parks sammelt sich der Müll von fröhlichen Zusammenkünften – und niemanden schert es.

Mund-Nase-Schutz, Maskenpflicht, Abstandsge- und Kontaktverbot in allen Ehren. Wenn aber niemand die Einhaltung der Regeln kontrolliert, gibt es zu viele Verweigerer. Deshalb muss die Frage erlaubt sein, warum von den vielen pausierenden Stadtbediensteten nicht viel mehr als Abstands- und Maskenpflicht-Streifen durch die Stadt und die Parks gehen. Warum werden nicht endlich Lautsprecherwagen dafür eingesetzt, allen unüberhörbar mitzuteilen, dass Abstand Leben retten und helfen kann, diese Krise viel schneller zu überwinden? Der Krieg gegen Corona wird dort gewonnen, wo Oberbürgermeister und Stadtverwalter das Sagen haben. Hier entscheidet sich, wie lange er noch dauert. Deshalb muss gelten: Wenn schon Verbote, dann richtig, konsequent und ausnahmslos – damit sie schnell wieder aufgehoben werden können. Alle werden hinnehmen müssen, dass die Gesellschaft nach Corona eine andere ist. Aber nicht auf Kosten der Freiheit.