Begrabt mein Herz in Wuppertal Party-Hopping mit Uwe Becker
Unser Kolumnist bekam in manchen Jahren 15 Einladungen zu Silvesterfeiern.
Meinen ganz persönlichen Jahresrückblick wollte ich eigentlich von Günther Jauch oder Johannes B. Kerner schreiben lassen, weil ich gerade ein wenig müde von der ganzen Feierei bin. Und, Schreck lass nach, heute Abend geht es ja auch schon feuchtfröhlich und megaheiter weiter. Aber besser schreibe ich doch alles noch schnell selber. Was wissen die beiden Herren vom Fernsehen schon von Wuppertal, da könnte ich auch den Hund bitten, ein paar Zeilen zum auslaufenden Jahr zu formulieren.
Wenn Silvester naht, fällt mir immer eine Szene von 1967 ein, wie ich mit meinem Vater knöcheltief im Schnee auf dem Balkon unserer Wohnung in Barmen stehe und den Nachbarn dabei beobachten, wie er unten auf dem Bürgersteig nach Knallfröschen sucht, die am Abend vorher nicht explodiert waren. Schon als kleiner Junge hatte ich Mitleid mit solch traurigen, erwachsenen Geschöpfen. Na ja, Schwamm drüber, lange her.
Viele Menschen wollen am letzten Tag des Jahres nicht alleine sein, bekommen Panikattacken, wenn sie im Oktober noch immer keine Einladung zu einer Silvester-Feier in der Tasche haben. Manche Leute haben so große Angst, an diesem Abend alleine zu sein, dass es ihnen fast schon schnurzpiepegal ist, wer sie einlädt. Hauptsache man ist an dem Abend untergebracht, selbst wenn es bei Trump oder Angela Merkel wäre, nur bitte nicht allein daheim. Ältere Menschen werden ja an Silvester oft von ihren Kindern geholt, wenn sie nicht von Weihnachten immer noch da sind. Aber gerade für junge Leute ist es nicht schön, wenn sie keine Einladungen bekommen. Man fühlt sich unattraktiv und nicht gewollt. Viele sind zwar fast das ganze Jahr über alleine, aber diese Einsamkeit schmerzt nicht so sehr wie die am Silvesterabend.
Ich hatte immer Glück, war nie allein. Es gab eher Jahre, da hatte ich zehn bis 15 Einladungen zu Silvesterpartys. Natürlich war das anstrengend, aber ich wollte niemanden enttäuschen, der mich eingeladen hatte, also besuchte ich alle Feiern und machte so alle Leute glücklich, weil jeder dachte, ich hätte lediglich seine Einladung angenommen.
Überall trank ich schnell zwei, drei Whiskey und den obligatorischen Begrüßungssekt und war schnell wieder weg, das fiel dann auch nicht auf. Die letzte Party schaffte ich dann meistens gerade so kurz vor zwölf. Da blieb ich dann bis zum Morgengrauen, schlief in einem fremden Bett ein und übergab mich auch schon mal in unbekannten Badezimmern oder Küchenspülen. Aber schön war es trotzdem. Ich möchte keine Sekunde meiner Jugend missen, auch nicht die weniger schönen Momente.
Aber kommen wir doch mal zum Rückblick. Ich denke, es war für viele Wuppertaler ein schönes Jahr, für viele aber auch nicht. Aber das ist in Solingen oder Remscheid nicht anders. Glück und Unglück liegen in einem Jahr oftmals dicht beieinander. Schauen wir nicht im Zorn zurück, sondern lieber aufgeregt und voller Zuversicht ins kommende Jahr. Vieles könnte natürlich besser werden. Einiges wird nicht besser. Weniges eventuell gar schlimmer.
Ich bekomme auf meiner Facebook-Seite aktuell Werbung von Treppenlift-Herstellern angeboten. Bedauerlicherweise hatte ich wohl aus diesem Grund einen fürchterlichen Albtraum, den ich Ihnen zum Abschluss des Jahres nicht vorenthalten möchte: Ich war gehbehindert und lebte mit meiner Frau und vielen Bediensteten in einem großen, wunderschönen Schloss auf der Königshöhe.
Meine Ehefrau wollte mir einen Treppenlift einbauen lassen, was ich aber ablehnte, weil das antike Treppengeländer mit so einem hässlichen Elektroteil arg verschandelt würde. Ich stürzte mich dann lieber, als die Behinderung schlimmer wurde, täglich die Treppe herunter, wenn meine Frau mich zum Essen rief. Auf allen Vieren kroch ich dann mit verstauchten oder auch gebrochenen Gliedern bis zum Tisch. Es gab aber oft mein Lieblingsgericht, das Original-Menü aus „Dinner for One“.
Ich bin heilfroh, dass ich in Wirklichkeit in einer Parterre-Wohnung lebe. Würde ich allerdings in einem Hotel wohnen, so wie Udo Lindenberg, dann würde ich mir zusätzlich einen eigenen Liftboy leisten, das wäre klasse. Guten Übergang!