Die Tücken des Familiennachzugs Parwais Sharifi wartet in Wuppertal auf seine Familie aus Afghanistan
Wuppertal · Ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan wartet Sharifi immer noch darauf, dass seine Frau und die beiden Töchter ausreisen können. Doch das ist schwierig und teuer.
Für seinen Besuch in der Migrationsberatung der Diakonie Wuppertal hat Parwais Sharifi sein „Winner“-T-Shirt angezogen. Es ist ein kleines, eher ironisches Statement der Zuversicht nach sieben Jahren als afghanischer Flüchtling in Wuppertal. „Wenn ich meine Frau und meine beiden Töchter endlich in die Arme schließen kann, werde ich mich wie ein Gewinner fühlen“, sagt er. „Denn dann ist es mir gelungen, nicht nur mein Leben, sondern auch ihres zu retten.“
Der Aktenordner, den Flüchtlingsberaterin Maria Shakura für den Afghanen angelegt hat, ist umfangreich. Er dokumentiert einen jahrelangen Kampf um die Anerkennung als Flüchtling und um die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung. Er enthält Kopien von Anträgen, Formularen, Schriftverkehr mit den deutschen Ausländerbehörden und den Botschaften. Was der Aktenordner nicht enthält, ist eine Aufzählung all der Kosten, die Parwais Sharifi für den Familiennachzug aufbringen muss.
Seit 2018 gibt es in Afghanistan keine deutsche Auslandsvertretung mehr. Die Familien müssen über Pakistan, Indien oder den Iran ausreisen. Flüge, Unterkunft, Visa, die Übersetzung von Dokumenten – all das kostet. „Ein Familiennachzug war schon immer teuer, aber seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 zahlt eine Familie mit zwei Kindern zwischen 5000 und 10 000 Euro für den Nachzug“, rechnet Maria Shakura vor.
Bei nicht wenigen der 38 von der Diakonie betreuten Fällen, die einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug haben, droht er am Geld zu scheitern. Deshalb will die Diakonie nun einen Spendenfonds für Notfälle (Kontoverbindung weiter unten) einrichten. Die evangelische Kirche in Wuppertal unterstützt die Aktion und bittet die Gemeinden, sich daran zu beteiligen.
Auch Parwais Sharifi ist inzwischen verschuldet. Er hat Angst, dass er die Flugtickets für seine Frau und die beiden Mädchen nicht mehr bezahlen kann – ausgerechnet jetzt, wo die Chancen auf eine gemeinsame Zukunft in Deutschland greifbar nahe sind. Denn die Zustimmung der Behörden steht unmittelbar bevor. Seit Januar befindet sich seine Frau mit den beiden Mädchen im Iran. Über die deutsche Botschaft in Teheran kann sie ausreisen, wenn das Visum erteilt wird. Es fehlen nur noch ein paar Unterlagen.
„Als Filialleiter einer Bank habe ich gut verdient. Deshalb konnte meine Familie nach meiner Flucht noch länger von unserem Ersparten leben“, erzählt er. Sharifi musste fliehen, weil er sich weigerte, mit den Taliban für ihre illegalen Geldgeschäfte zu kooperieren. Seine Frau und die beiden zwei- und vierjährigen Mädchen zogen zu den Schwiegereltern in einen anderen Stadtteil.
Schon vor der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 war es für seine Frau schwierig, Geld als Hebamme zu verdienen. Bombenanschläge hielten die Mädchen davon ab, regelmäßig zur Schule zu gehen.
Jeden Monat schickt Sharifi seiner Familie Geld. Dabei verdient er mit seinem Job bei einem Onlinehändler selbst nur knapp 1.600 Euro. Seit seine Frau mit den Kindern im Iran lebt, ist sie ganz auf die finanzielle Hilfe ihres Ehemannes angewiesen. Zurück zu ihren Eltern kann sie als alleinstehende Frau nicht reisen. Das haben die Taliban verboten.
„Wir hatten bis 2015 ein gutes Leben in Kabul“, sagt Parwais Sharifi. „Meine Frau wollte noch studieren und Journalistin werden. Für die Mädchen hatten wir viele Pläne. Seit sieben Jahren geht es nur darum, dass sie aus Afghanistan rauskommen. Bei jedem Telefonat weint einer von uns.“
Doch nicht nur die Sorge um seine Familie, auch die Angst um seine Schwester belastet den Afghanen. Sie ist mit einem Mann verheiratet, der inzwischen zu den Taliban gehört und sie misshandelt. Auf seinem Handy hat Sharifi ihre vielen Verletzungen dokumentiert. „Sie findet nirgendwo mehr Schutz und Hilfe.“
Maria Shakura hofft, dass sie mit ihren drei Kindern über das seit einem Jahr geplante Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland kommen kann. Es soll neben den besonders gefährdeten Personen auch gezielt Frauen berücksichtigen.
„Wir dürfen die besondere Not der Frauen in Afghanistan nicht vergessen“, betont die Beraterin und fordert, dass die Bundesregierung endlich mehr für sie tut. Aber sie wünscht sich auch, dass Menschen in Wuppertal sich vom Schicksal ihrer afghanischen Nachbarn berühren lassen. „Wenn unser Spendenfonds dafür sorgt, dass Familienzusammenführungen wie die von Sharifis nicht am Geld für Flugtickets oder Visaanträgen scheitern, ist schon viel gewonnen", ergänzt Geschäftsführer Thomas Bartsch.