„Pflegefamilien zeitnah unterstützen“ – Jugendamtsleiter Verst im WZ-Interview

Dieter Verst, Jugendamtsleiter, hält Pflegefamilien für sinnvoll – wenn sie richtig betreut werden.

Wuppertal. Nach dem Gutachten einer Unternehmensberatung sollen mehr Kinder in Pflegefamilien untergebracht werden - und das nach dem Fall Talea. Von 100 zusätzlichen ist die Rede.

Dieter Verst: Wir halten das grundsätzlich für möglich. Die beste Werbung sind zufriedene Pflegeeltern. Die Pflegeeltern waren im letzten Jahr nach dem Fall Talea zum Teil etwas irritiert, weil man ihnen unterstellt hat, keine gute Arbeit zu machen. Wir haben das Gefühl, dass diese Phase vorbei ist. Wir setzen darauf, die Pflegefamilien eng zu betreuen und sie in Krisenzeiten zeitnah zu unterstützen. Und darauf, dass dieses sich herumspricht und wir dadurch neue Familien gewinnen.

Also allein Mund-zu-Mund-Propaganda?

Verst: Außerdem wollen wir mit freien Trägern sprechen, ob sie sich vorstellen können, Pflegefamilien zu suchen und zu betreuen. Die Träger können Kreise erschließen, an die wir als Stadt nicht heran kommen. Zusätzlich suchen wir verstärkt Familien für Zehn- bis 18-Jährige. Da versuchen wir im Umfeld der Herkunftsfamilien, in den Schulklassen und im Freundeskreis der Kinder auf Familien zuzugehen.

Verst: Das kann in Einzelfällen immer mal wieder vorkommen. Wir werden genügend Personal bei Stadt und freien Trägern bereitstellen, um die Familien intensiver zu betreuen. Das Gutachten hat ja auch ergeben, dass eine zusätzliche Stelle für die Betreuung der Familien nötig ist. Damit würde der Pflegekinderdienst von 6,25 auf 7,25 Stellen aufgestockt.

Verst: Pflegefamilien sind aus fachlichen Gründen sinnvoll: Dort gibt es keinen Wechsel der Bezugspersonen, es gibt klare Bindungen und ein hohes Engagement, zum Teil intensiver als dieses beispielsweise in Heimgruppen möglich ist.

Susanne Helmken (Pflegekinderdienst): Es gibt da natürlich auch Grenzen. Nicht jedes Kind ist für eine Pflegefamilie geeignet, zum Beispiel, wenn die notwendige Betreuungsintensität überstiegen wird. Viele Kinder haben in ihrer Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. In Familien haben sie die Chance, negative Erfahrungen zu korrigieren und Bindungen einzugehen. Das ist in einem Heim nicht so intensiv möglich.

Verst: Die Kinder erhalten bei Bedarf zusätzliche Hilfen wie zum Beispiel Heilpädagogik, Ergotherapie und werden von der Erziehungsberatung oder von Kinder- und Jugendpsychotherapeuten betreut. Wenn Probleme in der Familie entstehen, gibt es natürlich weitere Unterstützung - etwa in Form von ambulanten Hilfen.

Helmken: Außerdem soll die Qualifizierung in der laufenden Betreuung ausgebaut werden. Wir wollen mehr Fortbildungen anbieten und zu Spezialthemen Experten einladen, damit die Familien sicherer werden. Viele Fragen tauchen ja erst später auf.

Verst: Der Pflegekinderdienst ist ein eigenständiger Fachdienst und läuft nicht über die Bezirkssozialdienste. Die Fachkräfte kümmern sich nur um die Pflegefamilien, und das sollen auch getrennte Bereiche bleiben, damit die Betreuung sichergestellt ist. Für die beabsichtigte Ausweitung wird zusätzliches Personal eingesetzt.

Verst: Im Gegensatz zum Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt hat das Gutachten von con-sens einen fachlichen Ansatz, und es ging nicht allein ums Sparen. Das Ergebnis: Im Vergleich zu anderen Städten können wir den Anteil an Pflegefamilien deutlich erhöhen. Dieses ist auch aus fachlichen Gründen richtig, weil eine familiäre Unterbringung von Kindern für deren Sozialisierung oft die beste Möglichkeit ist. Wir geben grundsätzlich nur Kinder in Pflegefamilien, für die dieses die richtige Hilfe ist. Auch geht es nur um Neu-Fälle.

Helmken: Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus, Kinder in Pflegefamilien zu vermitteln. Wir müssen die passende Familie sorgfältig auswählen. Abbrüche gilt es unbedingt zu vermeiden, weil sie schädlich sind. Wir halten die Unterbringung in Pflegefamilien aber grundsätzlich für fachlich richtig und wichtig.

Verst: Wir hatten das Ziel schon vorher aus eigenem Antrieb. Dieses Vorhaben wurde dann durch den Fall Talea um ein Jahr verschoben.