Campus Wuppertal Homeoffice kann überlebenswichtig sein

Wuppertal · Professor Tobias Meisen sagt, die Corona-Krise verändere die Herangehensweise der Wirtschaft an die Digitalisierung.

Im Homeoffice zu arbeiten und arbeiten zu lassen, ist für viele Arbeitnehmer und -geber noch immer neu. Corona könnte das ändern.

Foto: dpa/Daniel Naupold

Die Wirtschaft leidet in vielen Bereichen an der Corona-Krise. Kurzarbeit, Einnahmeausfälle, Hilfsprogramme und -kredite bestimmen die Berichterstattung. Aber Tobias Meisen sieht in der Corona-Krise auch eine Chance.

Er ist Professor für Technologien und Management der Digitalen Transformation an der Bergischen Universität. Und aus seiner Sicht führt Corona viele Unternehmen an einen Scheideweg – der in Richtung Digitalisierung beschritten wird. „Wir waren in Sachen Digitalisierung schon stark aufgestellt, wenn man an Industrie 4.0 oder den Digitalpakt Schule denkt“, sagt er. Aber die Frage sei jetzt, wie geht es weiter, brechen Investitionen für Digitalisierung weg oder wird noch stärker investiert? Meisen prognostiziert letzteres.

Wo Firmen bisher scheu waren, sind sie jetzt überzeugt

„Ich bekomme viel positive Resonanz von unseren Industriepartnern“, sagt Meisen mit Blick auf die Erfahrungen in der aktuellen Lage. Er denkt etwa an Homeoffice und Videokonferenzen. Bisher habe es da eine Scheu gegeben, das anzubieten, sagt Meisen. Es habe ja alles auch so funktioniert. Jetzt in der Krise merkten aber viele Unternehmen, Homeoffice und die entsprechende digitale Infrastruktur seien nicht nur ein nettes Zusatzangebot, sondern eine „Voraussetzung, überhaupt arbeiten zu können.“ Es geht nicht mehr um „mehr Attraktivität, sondern um Existenzsicherung.“

Deswegen ist Meisen überzeugt, dass die Firmen, die den Fokus bisher nicht so stark auf die digitale Infrastruktur gelegt haben, begriffen hätten, dass das essentiell ist, und sie Investitionen tätigen werden, um das Angebot auszubauen. „Es geht um die Frage: Wie bin ich auf Krisen eingestellt?“.

Meisen sagt, wo vorher die Investitionen zu hoch erschienen und die Hemmnisse zu hoch waren aus Angst, dass etwas nicht funktioniert, oder der Datenschutz als Hindernis wahrgenommen wurde, da würden die Bewertungsstandards neu justiert.

Die Digitalisierung der Arbeitsprozesse und -strukturen habe in der gegenwärtigen Situation die Chance bekommen, sich zu beweisen. Missstände seien deutlich geworden. Aber eben auch, wo es gut klappe. Und der Umgang mit bisher nicht wertgeschätzten Tools wie Videokonferenzen habe auch Begeisterung ausgelöst. „Das wird zu einer neuen Welle der Digitalisierung führen“, ist sich Meisen sicher.

Die Frage sei aber, wie lange die Krise andauere, ob Unternehmen in der Situation durchhielten oder auch ob sie gerettet würden. „Wenn Corona nicht zu sehr zur Belastung wird, kann gerade der Mittelstand wegen seiner Flexibilität gestärkt aus der Krise gehen.“

Thomas Wängler von der IHK bestätigt die Eindrücke: „Viele Unternehmen fragen die Technik nach. Bei vielen sind die Vorteile digitaler Technik jetzt ins Bewusstsein gekommen.“ Das bestätigt auch Thomas Grigutsch, zuständig für Starthilfe und Unternehmensförderung bei der IHK. „Was vorher Monate oder Jahre gedauert hat, wird jetzt schneller umgesetzt“, ist er sich sicher. Wobei er betont, dass Digitalisierung schon seit Jahren Thema sei und man nicht alle Unternehmen über einen Kamm scheren könne. „Viele haben bereits investiert.“ Für die anderen geht auch er von einem „Push-Effekt“ aus. Das betreffe in der Tendenz eben die kleinen und mittleren Unternehmen, sagt er. Die, von denen Meisen betont, die Krise könne sie stärken. Aber auch Grigutsch sieht die Dauer der Krise als entscheidend. „Jetzt schmelzen die Reserven weg.“ Nur wer Geld habe, könne auch investieren. Da müsse die Politik mithelfen.

Marcel Hafke, FDP-Landtagsabgeordneter für Wuppertal und stellvertretendes Mitglied der Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“ im Landtag, unterstreicht den Eindruck von Uni und IHK: „Wenn man der aktuellen Situation etwas Positives abgewinnen will, dann, dass digitale Tools und flexible Arbeitsorganisation funktionieren, wenn sie sowohl von Arbeitnehmer- als auch von Arbeitgeberseite angenommen und genutzt werden.“ Er werbe ausdrücklich dafür, „funktionierende Modelle, die in der Krise aus der Not heraus entstanden sind, weiterzuentwickeln.“ Und er glaube, dass aus der Krise ein Innovationsschub entstehen könne.

Die Regierung stelle bereits Mittel zur Verfügung. Etwa mit der Digitalisierungsinitiative Mittelstand, die sich an kleine und mittlere Unternehmen wende, um deren Digitalisierungsgrad zu erhöhen. Allerdings könnte daran noch – nach Corona – nachgebessert werden, wenn nötig, so Hafke. Das sei bisher nicht absehbar.