Meinung Provinzstadl
In der großen Politik führt Dilettantismus in vielen Fällen zu Rücktritten. In der kleinen Politik hingegen kann er richtigen Schaden anrichten. Wuppertal ist gerade auf dem Weg, dafür einen Beweis anzutreten.
Dabei geht das inzwischen unwürdige Schauspiel um die Intendantin des Tanztheaters, Adolphe Binder, vermutlich am Interesse der allermeisten Wuppertaler vorbei. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die Ereignisse. Denn deren Folgen können verheerend sein, nicht nur für Freunde des modernen Tanzes, wie die Solingerin Pina Bausch ihn in den 1970er Jahren in Wuppertal kreiert hat.
Seit mehr als einer Woche war nun der Beirat des Tanztheaters damit beschäftigt, die eigentlich noch neue Intendantin wieder zu entfernen. So etwas geschieht normalerweise professionell geplant, die Mehrheiten für die Demission stehen fest, ehe das Gremium sich offiziell damit beschäftigt. In Wuppertal ist das anders. Hier hat sich anscheinend eine Handvoll Männer überlegt, Gerüchten und Anschuldigungen zu folgen und ohne größere Umschweife Nägel mit Köpfen zu machen. Das ist allerdings dann gefährlich, wenn erstens nicht nur Wuppertaler, sondern auch Auswärtige mit zu bestimmen haben. Das Tanztheater wird regelmäßig vom Land NRW unterstützt. Wenn dann zweitens am entscheidenden Tag nicht alle Entscheider dasselbe wissen, dann kann so ein Schuss schon einmal nach hinten losgehen. Genau so ist es gekommen. Noch ehe das Endergebnis feststand, ist diese Attacke als eine der größten Pleiten in die Geschichte der jüngeren Personalpolitik der Stadt Wuppertal eingegangen. Und da hat es zuletzt einige gegeben.
Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht um viel mehr ginge als um diese eine Personalie. Die Tänzerinnen und Tänzer des Pina Bausch Ensembles sind es, die Wuppertal auch kulturell über den Provinzstatus heben. Sie machen diese Stadt bekannt. Und Bekanntheit ist im Wettbewerb um kluge Köpfe und zukunftsträchtige Unternehmen ein wertvolles Gut.
Das Tanztheater Pina Bausch befindet sich in einer entscheidenden Phase seiner Suche nach Zukunft. Inhaltlich hat Adolphe Binder mit zwei gewagten neuen Stücken versucht, den Kurs zu setzen. Denn auf ewig lässt sich mit den Werken aus der Ära Bausch kein modernes Tanztheater machen, allenfalls ein lebendiges Archiv, das nach und nach seinen Reiz verliert.
Gleichzeitig bemühen sich Stadt und Land darum, das Tanztheater in den Status zu hieven, in den es gehört. Es soll eine nationale Angelegenheit werden und innerhalb des Tanzzentrums an der Kluse aus Steuermitteln des Bundes finanziert werden. Die Gespräche laufen, sie sind schwierig, schienen aber zuletzt auf den Erfolgsweg eingebogen zu sein.
Ausgerechnet in dieser Phase betritt der Provinzstadl die Bühne und versucht, dilettantisch vorbereitet, die Intendantin zu entfernen. Aus der Nähe betrachtet mag es dafür Gründe geben, aus der Entfernung sieht das Verfahren gewiss so aus, als seien Management und Beirat des Theaters noch nicht einmal in der Lage, einen fünfköpfigen Kegelclub zu organisieren, geschweige denn ein Tanzzentrum mit Betriebskosten von 14 Millionen Euro im Jahr.
Anscheinend hat der eine oder andere inzwischen wenigstens gemerkt, dass er sich auf sehr dünnem Eis bewegt. Die Verantwortlichen zeigen Nerven. Das führte am Donnerstag dazu, dass zwei auf dem Rathausflur friedlich interessiert wartende Journalisten auf Geheiß des Oberbürgermeisters von vier Bediensteten des Ordnungsamtes mit Handschellen am Hosenbund freundlich, aber sehr bestimmt aus dem Rathaus geführt wurden. Das dürfte zumindest in Wuppertals jüngerer Geschichte ein einmaliger Vorgang sein, der zeigt, mit welcher Qualität diese Stadt geführt wird.
Daran, dass Adolphe Binder gehen muss, besteht nach diesem unwürdigen Theater kein Zweifel mehr. Wie sollte sie in Wuppertal auch weiter arbeiten? Aber der eine oder andere Entscheidungsträger im Rathaus und im Tanztheater sollte sich einmal fragen, ob er nicht besser mitginge.