Historie Kaiserpaar war mit der Schwebebahn unterwegs
Erinnerung an die historische Fahrt vor 120 Jahren.
Vohwinkel/Elberfeld/Barmen. Bevor Kaiser Wilhelm II. und seine Gattin Auguste Victoria die Fahrt mit der Schwebebahn beginnen, wagen sie sich in ein eher proletarisches Umfeld. Begleitet von einem kleinen Hofstaat besucht das Kaiserpaar am Samstag die Werkstatt der Schwebebahn in Vohwinkel. Die historische Inszenierung, von Stadtmarketing und den Wuppertaler Stadtwerken (WSW) in Szene gesetzt, ist Auftakt einer Kampagne, mit der an ein historisches Datum erinnert wird: die Fahrt von Kaiser und Kaiserin mit der Schwebebahn.
Das „Reenactment“, wie sich diese Art historischer Darstellung nennt, geschieht zum 120. Jahrestag des Besuchs des Kaiserpaares im heutigen Wuppertal. Kaiser Wilhelm II. weihte damals die Barmer Ruhmeshalle (heute Haus der Jugend) und das Rathaus Elberfeld ein, enthüllte den Siegesbrunnen in Vohwinkel und er gab der Schwebebahn seinen Segen.
Ganz schön viel Bahnhof für einen deutschen Monarchen also. Gleichwohl möchten Stadtmarketing und WSW auch in demokratischeren Zeiten an diesen Tag erinnern. Sie lassen das Kaiserpaar noch einmal mit der Schwebebahn fahren – dargestellt werden die Hochwohlgeborenen von Stadtführerin Anke Brinkmann und Stadtführer Johannes Schlottner. Hinzu kommen zwei Hofdamen (Sandra Weiler und Ligia von der Gathen), ein Ordonanzoffizier des Zarenreichs (Helmi von der Gathen) und ein Zeitungsjunge (Adam von der Gathen). Alle gekleidet in opulenten Kostümen.
Da der historische Kaiserwagen wegen der Umstellung der Stromversorgung von 600 auf 750 Volt derzeit außer Betrieb ist, können die Besucher das Gefährt nur im demontierten Zustand in der Werkstatt in Augenschein nehmen. Mit der historischen Reminiszenz wolle man den Fahrgästen der Schwebebahn etwas bieten und sich bei ihnen in Corona-Zeiten bedanken, sagt WSW-Sprecher Elmar Thyen. Das Kaiserpaar und seine Begleiter sind den ganzen Tag auf der Strecke unterwegs.
Dazu geht es nach der Werkstatt-Visite in die Station Vohwinkel und dort in einen Wagen der neuesten Generation. „Der Kaiser sitzt hinten“, sagt Johannes Schlottner, alias Wilhelm II., und nimmt mit seiner Gattin Platz auf der letzten Bank.
Gegen 10 Uhr an einem Samstag ist der Publikumsverkehr noch gering. Insofern gibt es zunächst keine größere Aufregung im Wagen, aber mitunter einen neugierigen Blick auf die letzte Bank. Immerhin bemüht sich das Kaiserpaar um Volksnähe und grüßt huldvoll Eintretende und Zaungäste. Auch Gespräche mit den Untertanen werden gesucht.
Fahrgäste, denen das Spektakel mysteriös vorkommt, können vom Zeitungsjungen Adam eine Zeitung bekommen, in der unter anderem über den Besuch des Kaisers vor 120 Jahren berichtet wird. Dort ist ein historischer Text aus der „Barmer Zeitung“ zur Einweihung der Schwebebahn zu lesen, auch Reprints von Anzeigen sind dort zu finden. Und weil die Zeiten so sind, wie sie sind, werden auch Schutzmasken verteilt.
Der Besuch von Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) am 24. Oktober 1900 war ein großes Ereignis. Barmen, Elberfeld und Vohwinkel investierten dafür nach heutiger Berechnung mehrere Millionen Euro. Eigentlich sollte Wilhelm II. bereits am 13. Oktober 1900 im Tal ankommen, wegen der Erkrankung seiner Mutter wurde der Termin verschoben. Die für die zehntausenden Besucher bestellten Lebensmittel wurden weggeworfen, Blumen und Girlanden verwelkten, bevor der Hohenzoller überhaupt einen Fuß ins Tal gesetzt hatte.