Kultur Ein Stück wie ein Gedicht
Letzte Vorstellung von Thomas Köcks „Atlas“.
Welche Zeit zählt: die, aus der man fällt, oder die, in die man fällt? „Über die Idee, was bedeutet Zeit, wie wiederholt sie sich, wann wiederholt sie sich, hat Thomas Köck letztendlich die Geschichte der Boatpeople, der damaligen Immigration und Flüchtlingssituation geschildert“, erklärte Thomas Braus.
Am Samstag fand die letzte Aufführung von „Atlas“ im Theater am Engelsgarten statt, ein Stück des preisgekrönten österreichischen Autors Thomas Köck, bei der Schauspiel-Intendant Braus gemeinsam mit Philippine Pachl, Julia Meier und Julia Wolff selbst auf der Bühne zu sehen war. Das Werk nimmt Bezug zu der Situation der 1970er Jahre, als Menschen in Folge des Vietnamkrieges nach Deutschland flüchteten. Überfüllte Boote, umringt von Wasser, Ertrinkende: Wer zähle schon all diese Hände, die im Meer untergehen, heißt es, als die Fluchtsituation als solche geschildert wird. Sie erinnert stark an die aktuellen Schiffsunglücke im Mittelmeer. „Das war mit einer der Gründe, warum wir das Stück ausgewählt haben“, erklärte Thomas Braus. Denn es werde viel über Corona geredet. „Zusätzlich zur Pandemie haben wir aber eine furchtbare Flüchtlingssituation. Ich finde, das dürfen wir nicht außer Acht lassen. Wir müssen uns um diese Menschen kümmern“, macht er deutlich.
Die Atmosphäre trägt das Stück: Speziell ist etwa die Sprachbesetzung. „Ich habe es manchmal als Gedicht bezeichnet“, sagte Braus. Vier Personen sind zwar angegeben, die Redebeiträge allerdings in einem großen Text zusammengefasst, ohne dass eine Rollenverteilung vorgegeben wurde. Es sei schon zu erkennen gewesen, was die Tochter oder etwa die Mutter sagen. Doch letztlich haben die Regisseurin und die Dramaturgin entschieden, wie sie die Redebeiträge auf die Charaktere aufteilen.
Die Schauspieler tragen teilweise Originalkostüme. Fotomaterialien und vietnamesische Toneinspielungen ergänzen das Schauspiel. Dabei arbeiteten die Theaterschaffenden mit der vietnamesischen Community in Wuppertal und Düsseldorf zusammen – auch bei Proben waren Mitbürger vietnamesischer Herkunft teilweise zu Gast. „Der Kontakt war uns sehr wichtig“, schildert der Schauspiel-Intendant. Ursprünglich war ein Nachgespräch ein Teil der Inszenierung – mit Menschen aus Vietnam, aus unterschiedlichen Generationen, um verschiedene Blickwinkel kennenzulernen. Coronabedingt musste dieses ausfallen.
Maximal 34 Zuschauer
fanden im Saal Platz
Auch sonst fand die Inszenierung im reduzierten Rahmen statt. Wegen der neuen Corona-Verordnung konnten anstelle der sonst 162 maximal 34 Zuschauer im Saal Platz finden. Auch eine Maske musste durchgehend während der Vorstellung getragen werden.
Wirtschaftlich ist die Aufführung nicht. Während private Theater schließen müssen, sieht Intendant Braus es als Verantwortung eines Stadttheaters, welches staatliche Subventionen erhält, dass sie spielen – „dass wir da sind“. Er macht deutlich: „Ich habe keine einzige Produktion abgesagt. Ich habe keinen einzigen Regisseur oder Schauspieler gekündigt. Wir als städtisches Theater sind verantwortlich für die freien Künstler.“