Herr Bouaissa, es ist oft von einer Bedrohung durch den Salafismus die Rede, der den Moscheen und den dortigen Gemeinden in der Wahrnehmung und Ausübung ihres Glaubens schadet. Wie präsent ist das diskutierte Thema in den Gemeinden Wuppertals?
Interview Salafismus in Wuppertal: „Wir müssen mit fundiertem Wissen gegensteuern“
Samir Bouaissa über die notwendige Diskussion zum Salafismus und wie die Gemeinden in Wuppertal damit umgehen.
Islamwissenschaftler verorten den Salafismus als Strömung zwischen religiösem Fundamentalismus und politischem Extremismus. Derzeit wird über ihn und seine Präsenz viel diskutiert – auch in Wuppertal, nachdem ein aus Deutschland stammender Salafist in den vergangenen Monaten in einer muslimischen Gemeinde in Vohwinkel als Redner aufgetreten war (die WZ berichtete). Wir haben mit Samir Bouaissa, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in NRW und Mitglied des Interessenverbands Wuppertaler Moscheen, gesprochen, wie sich die Diskussion in Wuppertal entwickelt und mit welchen Vorhaben zur Aufklärung sie verbunden ist.
Samir Bouaissa: Das Thema wird gerade in den Gemeinden grundsätzlich diskutiert. Ein Ausgangspunkt ist dabei, dass es in den Gemeinden viele Jugendliche gibt, die einen Wissensdurst besitzen, was ihre Religion angeht. Sie sind zwischen 14 und 25 Jahren, finden sich also mitten im Leben wieder, und stellen sich Fragen, die auch vermeintliche Fundamente ihres Glaubens betreffen: Was darf ich essen, was darf ich trinken, darf ich nicht-muslimische Freunde haben? Leider finden sie dann in den Sozialen Medien ein schlichtes Angebot.
Was meinen Sie damit?
Bouaissa: Die Sorge ist, dass wir diese Jugendlichen an Populisten verlieren – zumal das, was Extremisten zum Beispiel in Videos kommunizieren, mit der religiösen Substanz fast nichts mehr zu tun hat. So verwenden Salafisten die gleichen Mittel, wie es auch Rechtsextremisten tun: Sie senden simple Botschaften aus. Es gibt für sie nur Schwarz und Weiß. Und mit ihrem rhetorischen Können, das auch die Sprache der Jugend berücksichtigt, überzeugen sie ihre Zielgruppen mitunter stärker als mancher Imam, der nicht nur die Oberfläche streift und dessen Äußerungen dadurch als etwas sperriger wahrgenommen werden.
Was tun denn die Gemeinden, aber auch die Schulen, um dem Salafismus in der jungen Generation vorzubeugen?
Bouaissa: Die Gemeinden versuchen, mit eigenen Angeboten und mit fundiertem Wissen gegenzusteuern. In der Schule ist der konfessionelle Unterricht auch zur Aufklärung gedacht. Dabei beschäftigt man sich etwa mit der Frage, was der Islam wirklich bedeutet und auf welchen Botschaften er basiert, bei denen wir die Extreme herausfiltern können. Mindestens ebenso wichtig ist aber, die Medienkompetenz zu schulen. Wie erkenne ich, dass jemand übertreibt und was Fake News sind? Schließlich nutzen gerade die Jugendlichen einen fast dauerhaften Zugriff auf Informationen, die sie im Internet finden.
Wie sehen Sie die aktuelle Debatte, in der seitens des Verfassungsschutzes erneut erwähnt wurde, dass Wuppertal zu den Schwerpunkten des „islamistischen Spektrums“ in NRW gehöre?
Bouaissa: Neben den etablierten Gemeinden gibt es in Wuppertal ja auch private Gruppen. Manche davon stehen im Verdacht, sich extremistisch zu organisieren. Daraus ist zum Beispiel 2014 die selbsternannte „Sharia-Polizei“ entstanden, die versucht hat, in der Elberfelder Innenstadt junge Muslime einzuschüchtern. Aber solange es keinen öffentlichen Ort gibt, an dem sich diese Gruppen treffen, nehmen wir dies als Gemeinden kaum wahr. Es würde uns helfen, in engeren Austausch mit den zuständigen Organen des Staates zu kommen.
Welche Pläne haben Sie selbst in Wuppertal, um vor Gefahren aufzuklären?
Bouaissa: Als Zentralrat der Muslime und als Wuppertaler Gemeinde planen wir zurzeit eine Seminarreihe. Sie richtet sich sowohl an Vorstände als auch als Aktive in der Jugendarbeit und befasst sich unter anderem mit der Frage, welche Arten von Extremismus es gibt. Das geht ja über den Salafismus hinaus und betrifft auch Begriffe wie den Kalifatstaat und die Muslimbruderschaft. Wir wollen auch aufzeigen, was man tun muss, um Gemeinden und Moscheen zu schützen, und an welche Ansprechpartner man sich wenden kann. Diese Reihe wollen wir in Wuppertal und der Umgebung erproben und dann in andere Städte übertragen.