Prozess „Scharia-Polizei“ in Wuppertal - Sittenwächter oder Missionierungstrupp

Wuppertal · Die „Scharia-Polizei“ steht in Wuppertal vor Gericht. Die Verteidigung sieht die Aktion missverstanden. Keine Sittenpolizei sei da unterwegs gewesen, sondern eher ein ungewöhnlich kostümierter Missionierungstrupp.

Ob das Vorgehen der „Scharia-Polizei“ strafbar war, muss erneut das Landgericht Wuppertal feststellen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Nicht nur aus den Mienen der Angeklagten spricht Missfallen – auch die Verteidiger zeigen deutlich, was sie davon halten, erneut in der Sache vor Gericht erscheinen zu müssen. Fünf Jahre nach dem Auftritt der selbst ernannten „Scharia-Polizei“ in Wuppertal will keiner der sieben Angeklagten über die nächtliche Aktion reden. Bei der vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordneten Neuauflage des Prozesses am Wuppertaler Landgericht schweigen die 27 bis 37 Jahre alten Männer zum Tatvorwurf und reden am Montag nur über ihren bisherigen Werdegang. In erster Instanz waren sie vom Landgericht freigesprochen worden, doch der BGH hat das Urteil aufgehoben – und nun geht alles von vorn los.

Immer wieder fällt bei den Verteidigern ein Begriff, der das Geschehen aus ihrer Sicht treffend beschreibt: „Junggesellenabschied“. Für einen solchen hatte ein Zeuge das nächtliche Treiben der Salafisten im September 2014 gehalten – von denen fünf in Warnwesten mit dem Aufdruck „Shariah Police“ durch Wuppertal gezogen waren. Keine Sittenpolizei sei da unterwegs gewesen, sondern eher ein ungewöhnlich kostümierter Missionierungstrupp.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders: Schließlich sei es „erklärtes Ziel“ der radikalen Islamisten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die Scharia, also einen Staat nach islamischem Recht, zu ersetzen. Den Angeklagten wird ein Verstoß gegen das Uniformverbot oder Beihilfe dazu vorgeworfen. Warnwesten würden von verschiedenen Gruppen getragen, etwa von Gewerkschaftern, hatten die Verteidiger argumentiert. Sie seien eben keine militante Uniformierung, auf die das Gesetz abziele.

Als Hausaufgabe hatte der BGH dem Landgericht aufgegeben, zu prüfen, ob die Aktion grundsätzlich dazu geeignet war, jemanden einzuschüchtern. Die Islamisten hatten ihren Auftritt selbst gefilmt und ins Internet gestellt.

Genau diesen Film lässt das Gericht am Montag im Saal vorführen: Darin erscheint der am vergangenen Freitag nach knapp vierjähriger Haft auf freien Fuß gesetzte damalige Islamistenführer Sven L. Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Initiatoren der „Scharia-Polizei“ war eingestellt worden – wegen schwererer Vorwürfe. Nun soll er am kommenden Freitag als Zeuge aussagen.

„Wir wollen Geschwister wiederfinden für den Islam“, verkündet er in dem Film. Und: „Wir können nicht Polizei spielen, das ist verboten in diesem Land.“ Aber L. sagt auch: „Wir sind wie die Polizei: Wenn die durch gewisse Bezirke fahren, dann passiert da auch weniger.“

In der ersten Instanz kam der Vorsitzende Richter des Landgerichts zu dem Ergebnis: „Ein Gesetz, das hier gegriffen hätte, gibt es nicht.“ Den Angeklagten drohen maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe.