Analyse Social-Media-Wahlkampf: Zwischen Facebook-Kumpel und Digital-Investor
Wuppertal · Der OB-Wahlkampf ist so digital wie nie. Doch wie stellen sich die Kandidaten auf dieser besonderen Bühne an?
Noch nie ist ein Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters mit so viel digitaler Kommunikation ausgefochten worden. Einer der wichtigsten Wahlkampfstände steht in den Sozialen Netzwerken. Doch wie viel Aufwand betreiben die Kandidaten bei Facebook, Twitter und Instagram? Und wie kommt das an? Die WZ hat die Social-Media-Expertin Sophia Klewer des Wuppertaler Beratungsunternehmens Prevency die Auftritte der Wuppertaler OB-Kandidaten analysieren lassen. Was funktioniert? Was ist ausbaufähig?
Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) beschäftigt zwar eine Agentur mit seinem Wahlkampf und damit auch mit der Steuerung seiner Internetseite, aber Social Media macht er nach eigener Aussage zu 100 Prozent alleine. „Das soll ja auch authentisch sein und nach mir klingen“, sagt Mucke. Fast 5800 Menschen haben seine Facebook-Seite abonniert, mehr als 1300 Menschen seinen Instagram-Account. Twitter fällt mit nicht einmal 1000 Followern etwas ab, was wohl auch daran liegt, dass der OB diesen Kanal nicht mehr regelmäßig bedient. Mucke sagt weiterhin: „Den persönlichen Kontakt kann nichts ersetzen.“
Expertin Sophia Klewer lobt vor allem Muckes Facebook-Präsenz: „Der Account ist verifiziert und hat im Vergleich zu den anderen Kandidaten mit Abstand die meisten Abonnenten. Mucke pflegt den Account sehr aktiv und kombiniert professionelle Bild- und Videoaufnahmen, die ihn bei der Arbeit zeigen mit Fotos aus seinem Privatleben – da ist sogar das ein oder andere Selfie dabei.“ Er inszeniere sich einerseits als kompetenter Macher und andererseits als nahbar und freundschaftlich. Und Instagram? „Dort scheint Mucke eher die junge Wählerschaft anzusprechen und zeigt sich oft mit jungen Menschen wie Parteikollege Kevin Kühnert“, so Klewer. Negativ sind ihr die „Accountleichen“ bei Twitter und Youtube aufgefallen.
Der CDU- und Grünen-Kandidat Uwe Schneidewind behandelt Facebook, Twitter und Instagram auf ganz unterschiedliche Weisen. Auf Facebook, wo seine Seite etwas mehr als 1350 Menschen abonniert haben, konzentriert er sich auf den inhaltlichen Wahlkampf. Eine deutlich größere Reichweite hat Schneidewind auf seinem Twitter-Account, wo er fast 7200 Follower hat, weil er sie als Leiter der Wuppertal Instituts über Jahre gesammelt hat. „Das ist mein Schaufenster nach draußen“, sagt Schneidewind, der bei Twitter auch oft über den Tellerrand von Wuppertal blickt. Für Instagram hat sich Schneidewind junge Hilfe geholt. Marina Wereschaev aus dem Jugendrat der Stadt ist federführend für seinen Account zuständig. Insgesamt 14 weitere ehrenamtliche Helfer unterstützen sie in unterschiedlicher Intensität. Schneidewind findet den Social-Media-Wahlkampf spannend, ihn schmerze es aber, dass er so wenig dazu kommt, bei Veranstaltungen live vor Menschen zu sprechen. Das sei ja eigentlich seine „Wunderwaffe“.
Bei Schneidewind lobt Sophia Klewer das bunte visuelle Konzept: „Fotos – meist Porträtaufnahmen von Schneidewind – sind oft in einen Rahmen aus einem Wahlkampffarbenmix eingebettet. Das sorgt in Social Media für Aufmerksamkeit, denn die hellen Farben stechen aus dem Userfeed hervor.“ Aufgefallen ist der Expertin, dass sich Schneidewind auf Instagram „geschickter anstellt als Mucke“. Er nutze alle Funktionen wie Stories, Highlights oder einen individuellen Hashtag.
Der FDP-Kandidat Marcel Hafke ist in den Sozialen Netzwerken durch die Bank weg sehr aktiv. Mehr als 3900 Nutzer haben seine Facebook-Seite abonniert, dazu kommen mehr als 2300 Follower bei Twitter und fast 1700 Abonnenten auf Instagram. Dort präsentiert sich Hafke nicht nur im Wahlkampf, sondern auch mal ganz privat - beispielsweise mit einem Hochzeitsfoto oder beim Mosel-Kurzurlaub. Hafke steckt nach eigenen Angaben „jeden Tag mehrere Stunden“ in seine Arbeit in den Sozialen Netzwerken, dreht dabei auch gerne einmal kleine Videos. Er sieht den digitalen Wahlkampf, den er mit einem Team aus zwei bezahlten Social-Media-Mitarbeitern führt, als Plus für sich an: „Wir erreichen über Facebook und Instagram Leute, die wir sonst niemals erreichen würden.“
Klewer sieht Hafke als „Social-Media-Allrounder“ und bemerkt einen zielgerechten Einsatz der Sozialen Medien: „Dafür spricht auch, dass der FDP-Kandidat viel Geld investiert und zwar in Form von zielgruppenspezifischen Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram.“ Zwar greife auch Schneidewind auf sogenannte Social Ads zurück – Hafke habe in der vergangenen Zeit aber mit Abstand das Meiste investiert. Gute gefällt ihr das klare visuelle Konzept mit Schwarz-Weiß-Bildern und der Magenta der FDP.
Auch der parteilose Kandidat Panagiotis Paschalis sagt ganz klar: „Wir haben im Wahlkampf den Schwerpunkt auf Social Media gelegt.“ Hinter seiner digitalen Präsenz im Netz stecken nach eigener Aussage sechs Helfer, die ihm ehrenamtlich helfen. Seine Reichweite ist im Vergleich zu den Mitbewerbern der großen Parteien geringer. Bei Twitter hat Paschalis 579 Follower, bei Instagram 170 Abonnenten. Auf Youtube hat er sogar einen eigenen Kanal mit einer Video-Serie, die ihn im Gespräch mit Wuppertaler Bürgern zeigt. Die Beiträge haben 60 bis 220 Aufrufe. Paschalis beklagt: „Mir stehen ja nur bescheidene Mittel zur Verfügung.“ Die Ausgangslage für diesen stark digitalen Wahlkampf sei daher aus seiner Sicht „unfair“. Er sagt: „Wie sollen die unbekannten Kandidaten die Menschen erreichen?“ Er habe eigentlich eine Veranstaltungsreihe geplant, bei der er 2000 bis 3000 Menschen erreichen wollte. Corona habe das unmöglich gemacht.
Ehrenamtliche Kandidaten
stoßen an ihre Grenzen
Auch Expertin Sophia Klewer bemerkt die geringeren Follower-Zahlen bei dem „Do-it-Yourself-Nachzügler“. Paschalis Accounts erschienen „weniger professionalisiert als die der anderen“. Große Ausnahmen: „Paschalis YouTube-Videos. Hier präsentiert sich der OB-Kandidat im Gespräch mit Menschen aus der Region.“ Klewer sagt: „Ein gutes Format, um sich selbst authentisch darzustellen, aber eventuell eher für ältere User ansprechend.“
Henrik Dahlmann (Freie Wähler) hat bei den Sozialen Netzwerken einen noch geringeren Wirkungskreis, auch weil seine Accounts teils erst in diesem Jahr angelegt wurden. Bei Facebook haben seine Seite knapp 70 Personen abonniert. Bei Twitter hat er zehn Follower und bei Instagram sieben Abonnenten. Dahlmann, den zwei ehrenamtliche Helfer bei Social Media unterstützen, sagt: „Ich hätte lieber einen normalen Wahlkampf geführt.“ Er ist zwar von der Resonanz in den Sozialen Netzwerken „positiv überrascht“, sieht aber auch die Probleme eines vor allem digitalen Wahlkampfs. Im Kontakt mit älteren Mitbürgern habe er festgestellt: „Die fühlen sich ausgegrenzt und haben das Gefühl, dass die Politiker nicht mehr vor Ort sind.“
Bernhard Sander (Die Linke) und Mira Lehner (Die Partei) beschränken sich im Social-Media-Wahlkampf auf Facebook, wobei die Accounts halb privat wirken. Sander macht „alles selbst“ und weist darauf hin, dass er nur einen geringen Etat zur Verfügung hat und Großspenden generell ablehnt. Für seine OB-Webseite hat Sander extra Videoclips gedreht. Er finde die neuen Möglichkeiten des Wahlkampfs „eigentlich schön“, muss aber auch bemerken: „Ich als Ehrenamtler stoße an gewisse Grenzen.“