Als der Halifax-Bomber am Nöllenberg abstürzte
Historiker haben die Geschichte rekonstruiert.
Beyenburg. „Vor uns lag das schwarze Deutschland. Überall waren Einschläge von Bomben und Granaten zu sehen. Ein anderes Flugzeug fing Feuer und stürzte ab.“ Archivberichte der Besatzung wie dieser haben dazu beigetragen, dass das in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1945 am Nöllenberg abgestürzte Flugzeug identifiziert und die Absturzursache geklärt werden konnte. Helmut Grau und Sven Polkläser haben monatelang recherchiert und ihre Ergebnisse jetzt im Pfarrheim der Klosterkirche eindrucksvoll präsentiert.
Dabei lag die Geschichte des Absturzes lange im Dunkeln. Eher durch Zufall kamen Grau und Polkläser auf die Spur: Im Oktober 2012 hatte ein Spaziergänger eine Streubombe in einem Waldstück in Beyenburg entdeckt — und anschließend den explosiven Fund im Auto quer durch die Stadt zum Polizeipräsidium gefahren. „Wohl als Reaktion darauf hat uns später dann ein Beyenburger kontaktiert und von dem Flugzeugabsturz im März ’45 berichtet“, erzählt Grau im Gespräch mit der WZ. Der Heiligenhauser vermutet, dass auch die Streubombe aus dem Flugzeug stammt.
An insgesamt drei Fundstellen am Nöllenberg wurden Grau und Polkläser fündig und entdeckten kleine Überreste eines Bombers. Dass es sich dabei um einen Halifax, dem wichtigsten Bomber der Royal Air Force handelt, war zu dem Zeitpunkt nicht bekannt. Erst aufgefundene MG-Patronen gaben die nötigen Hinweise.
Einige dieser Kleinteile von der Fundstelle waren in jahrzehntelangem Besitz von Hugo Hilbert. Er war 13 Jahre alt, als die Maschine über dem Nöllenberg abstürzte. „Sie kam aus Nordosten und flog 500 bis 1000 Meter über uns — plötzlich gab es einen Knall, sie brannte und flog auseinander“, erinnert er sich. Anschließend sei er in den Rumpf geklettert und habe Munition, drei Konnektoren und zwei Druckschalter, mit der Bomben aus dem Flieger ausgelöst werden können, geborgen. Eigentlich sollte die Maschine, das weiß man heute, über Witten Bomben abwerfen, wurde dann aber abgeschossen. Hilbert erinnert sich auch, dass sich Jahre später eine Französin nach der Absturzstelle erkundigt hat.
Die Vermutung, dass sich eine französische Besatzung in der Maschine befand, bestätigten jetzt die Historiker. „Das war etwas Besonderes, bei der Royal Air Force gab es nur zwei rein französische Bomberstaffeln“, hat Polkläser herausgefunden. Allerdings starben sechs der sieben Männer beim Absturz und wurden in Beyenburg beerdigt.
„Später wurden sie dann nach Grenoble umgebettet“, weiß Polkläser. Überlebt habe den Absturz nur der Funker Rene Reynaud. Ruth-Ellen Barzel hat seinen Fallschirmsprung damals verfolgt: „Er ist im Garten heruntergekommen und wurde direkt danach festgenommen.“
Später gab Reynaud zu Protokoll, dass er alle wichtigen Instrumente aus dem Flieger habe vernichten können. Eine Aussage, die von den am Freitag anwesenden Zuhörern allerdings stark angezweifelt wurde: Die Fundstücke mit den eingravierten Ziffern der Maschine sprächen eine andere Sprache. Auch Polkläser vermutet, dass der Franzose, der weit ab von der Absturzstelle landete, vor der Verhaftung kaum die Zeit gehabt hätte, um noch einmal zur Maschine zurückkehren zu können. Das weitere Schicksal von Reynaud war indes tragisch. Den Zweiten Weltkrieg hatte er zwar überlebt, am 19. Dezember 1951 fiel der damals 29-Jährige im Indochina-Krieg in Laos.