Barmer schreibt 2500 Postkartengrüße an Fremde

Postcrossing heißt das Hobby von Lothar Michels. Beliebt sind Karten, die die Schwebebahn oder Pina Bausch zeigen.

Foto: Uwe Schinkel

Barmen. Heute hat Lothar Michels wieder Postkarten in seinem Briefkasten. Nicht, weil Urlaubszeit ist und ihm Freunde einen Feriengruß zukommen lassen. Der Barmer kennt die Absender der Karten nicht, die ihn aus allen Teilen der Erde erreichen. Trotzdem bedankt er sich bei jedem Einzelnen. Auch er schreibt mehrmals am Tag an ihm unbekannte Menschen auf dem ganzen Globus. Postcrossing nennt man, was Michels vor drei Jahren als Hobby für sich entdeckt hat. Er gehört zu einer Gemeinschaft von aktuell fast 480 000 Menschen weltweit.

„Ich hatte davon im Radio gehört. Postkarten haben mir schon immer gefallen.“ Der 47-Jährige testete Postcrossing — und blieb dabei. Um Postcrosser zu werden, benötigt man paradoxer Weise Internet: Schreiben, Senden und Empfangen der durchaus echten Postkarten geschehen zwar auf traditionellem Weg. Aber nur, wer sich online registriert, erhält Adressaten, die per Zufallsprinzip ausgewählt werden. Lothar Michels Online-Profil beschreibt Wohnort und Interessen, etwa Weltraum, Science Fiction, Vulkane.

Diese Profile sind dafür da, sich als Schreibender ein Bild über den Empfänger seiner Postkarte zu machen und auf ihn einzugehen — wenn man möchte. „Jeder ist komplett frei“, sagt Lothar Michels. Seine bislang knapp 2400 erhaltenen Karten enthielten alles, von leerer Fläche bis zur dramatischen Liebesgeschichte. Aus den USA bekam er eine selbst gebastelte Karte, eine Collage aus seinen Favoriten.

Er selbst kauft lieber Karten, gibt sich dafür inhaltlich Mühe. Einer Chinesin, die in ihrer Heimat in der chemischen Industrie arbeitet, erzählte er von den Bayer-Werken in Wuppertal. Einem Professor für Arbeitsgeschichte berichtete er von Friedrich Engels’ Spuren in der Stadt.

Die Statistik auf seinem Profil zählt fast 2500 versendete Karten. Das macht rund 1800 Euro Ausgaben. Dank des Schriftverkehrs mit einer Österreicherin hat Michels sogar eine ehemalige Klassenkameradin gefunden. In seiner Wohnung stehen mehrere Boxen und ein mannshoher Aluständer. 5000 Karten warten darauf, bei Gelegenheit in die Welt geschickt zu werden, bedruckt mit Tieren, Wikingern, Gartenzwergen, Rockbands und natürlich Wuppertal-Motiven: „Regionales ist der Renner, vor allem Schwebebahn und Pina Bausch.“

An diesem Abend wird Michels wie üblich seine neuen Postkarten lesen, den Absendern eine Online-Nachricht als Dankeschön senden und seinerseits Karten aus seiner Sammlung auswählen, um irgendwo auf der Welt einem Sammler eine Freude zu machen.