Mit dem Handy in die Geschichte

Schüler haben eine App entwickelt, die zu einer historischen Spurensuche durch den Stadtteil einlädt.

Foto: Anna Schwartz

Barmen. Doktor Eugen Rappoport war ein jüdischer Arzt. Er wurde in Barmen geboren und betrieb eine Praxis für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in der Bleicherstraße. Zu Zeiten des Nationalsozialismus kümmerte er sich unter anderem sehr engagiert um die Menschen, die im Konzentrationslager Kemna misshandelten und gefolterten wurden. Später kam er vermutlich in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten ums Leben.

Sein Schicksal ist in Wuppertal nur eins von vielen, denn so wie Rappoport erging es den meisten jüdischen Familien im Deutschen Reich. Auf diese Leidensgeschichten zur NS-Zeit macht ein Projekt von Schülern der Gesamtschule Barmen aufmerksam. Eine spezielle App leitet in einem digitalen Rundgang durch den Stadtteil. Die Leidenswege einiger jüdischer Personen und Familien aus Wuppertal sind auf dem Handy-Display an verschiedenen Stationen zu lesen oder anzuhören. der Nutzer braucht nur ein gutes GPS-Signal, um die einzelnen Stationen zu finden, und etwa 100 Minuten Zeit. Die App ist leicht zu handhaben und der Rundgang sehr interessant gestaltet.

Der HNO-Arzt Eugen Rappoport arbeitete im ersten Weltkrieg auch als Lazarettarzt, führte Amputationen durch und kümmerte sich um Soldaten, deren Atemwege durch Giftgas zerstört waren. Er setzte alles daran diese Menschen wieder gesund zu machen. So auch zur Zeit des Nationalsozialismus. Mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, übernahm Rappoport die ärztliche Versorgung der ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Kemna in Beyenburg. 1933 trat dann das Berufsverbot für jüdische Ärzte in Kraft und Eugen Rappoport verlor den Großteil seiner Patienten und ging bankrott.

An einer anderen Station, zu der die App führt, ist die Geschichte zweier Frauen zu lesen, die ohne es zu wissen, der Anlass für einen Artikel in der Rheinischen Landeszeitung waren: Sie hatten in der damaligen Mittelstraße im kleinen Laden der Familie Bär eingekauft, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Am nächsten Tag konnten sie ein Bild von sich mit dem Titel „Sie kauften bei Juden“ in der Zeitung sehen.

Der Zeitungsbericht ist auf dem Handy-Display zu sehen. Diese Art von öffentlicher Diskriminierung und Zurschaustellung gehörte nicht nur in Wuppertal, sondern im ganzen deutschen Reich zum Alltag. Die App stellt einen aktuellen Bezug her: „Diese Methode ist mit dem Mobbing zu vergleichen, das wir heute kennen. Und wir wissen, welche Folgen das haben kann.“

Der Rundgang führt zu einem Haus in der Scheurenstraße. Hier erinnert heute eine Bronzetafel an die Gräueltaten der Nazis. Sie ist ein Andenken an die Barmer Synogoge, die von Nationalsozialisten in Brand gesteckt wurde. Die App erklärt: „In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten über 1000 Synagogen.“ Die Synagoge in Barmen war eine davon. In der App schildert ein Augenzeuge, Manfred Lichtwitz, seine Erinnerung an das Feuer: „Die Synagoge brannte lichterloh. Glücklicherweise befand sich der Rabbiner während des Brandes nicht dort.“

Der Rundgang eignet sich für jeden Wuppertaler, der ein Smartphone besitzt. Denn die App liefert viele interessante und erschreckende Geschichten über die NS-Zeit in Barmen. Diese sind mit beeindruckenden Fotos hiterlegt, die jederzeit zum Anschauen zur Verfügung stehen.