Cronenberg „Es soll keiner ertrinken“

Der Wuppertaler Cristian Totti war zwei Wochen mit einem Schiff unterwegs, das vor Libyen 230 Menschen gerettet hat.

Foto: Cristian Totti

Cronenberg. „Der erste Kontakt ist der gefährlichste Moment“, erklärt Cristian Totti, als er die Bilder auf seinem Laptop zeigt: Ein riesiges Schlauchboot, darauf dicht an dicht Menschen aus Afrika, „etwa 100 bis 115“, erklärt Totti. Er hat zwei Einsätze der Organisation „Sea Watch“ vor der libyschen Küste mitgemacht, bei denen Flüchtlinge von den kaum seetauglichen Booten gerettet wurden.

In einem kleinen Boot näherten sich die Retter dem überfüllten Schlauchboot, versuchten auf Englisch oder Französisch Kontakt aufzunehmen und zu erklären, dass sie nun Schwimmwesten und Wasser verteilen. Gefährlich ist der Moment, weil die Flüchtlinge ruhig bleiben müssen, nicht um Westen und Wasser ringen dürfen — sonst kentert das Boot. Die meisten können nicht schwimmen.

Cristian Totti war einer der freiwilligen Mitarbeiter auf der Sea Watch. Berichte über die zahlreichen ertrunkenen Flüchtlinge im letzten Jahr hatten den Anstoß gegeben: „Ich habe mir gesagt: ,Das kann nicht sein’“, berichtet er. Er hatte Berichte über das Schiff gesehen, bewarb sich auf der Internetseite der Organisation. Nach einem Kennenlerngespräch war er engagiert. „Ich bin Mechaniker, bin bootsaffin, kann Italienisch“, zählt der 43-Jährige seine Fähigkeiten auf, die wohl für ihn sprachen. Auf dem Boot war er fürs Kochen zuständig: „Ich habe unvorsichtigerweise erzählt, dass ich gern koche“, sagt er.

Der Cronenberger Unternehmer, der im Alltag Werkzeuge aus Japan importiert, macht kein Aufheben um sein Engagement. Schon seit Jahren fährt er für den Verein Wuppertaler Hilfe für Kinder von Tschernobyl den Lkw mit Hilfsgütern in die Ukraine und zurück. Für die Tafel ist er regelmäßig unterwegs. Und bei der Dust-and-Diesel-Rallye, bei der alte Autos nach Mauretanien überführt werden, war er ebenfalls dabei.

Richtung Libyen ist er von Malta aus in See gestochen. Lange war es ruhig. Denn im April waren noch wenige Flüchtlinge unterwegs: „Der Wind wehte falsch, ging aufs Land“, erklärt er. Dann kam der Funkspruch, dass ein Boot gesichtet wurde, die Sea Watch machte sich auf den Weg. Zwei Helfer verteilten Rettungswesten, bis ein großes Schiff die Flüchtlinge aufnehmen konnte. Kurz danach kam die Nachricht über ein zweites Boot mit Flüchtlingen. Auch um die kümmerte sich die Sea Watch, bis ein größeres Schiff kam.

Die Menschen seien erschöpft, durstig, berichtet Totti. „Nicht mal Rucksäcke“ hätten sie dabei. Am Boden des Boots stehe Wasser, vermischt mit Urin, darin Kleidungsstücke. Ein Mann habe sich am Fuß verletzt gehabt an den zehn Zentimeter hohen Schrauben, mit denen dicke Bohlen zur Stabilisierung des Schlauchboots befestigt sind. Auch Kinder, sogar ein Kleinkind seien dabei gewesen.

Die Menschen kämen in Aufnahmelager. Er stellt klar: „Es geht nicht darum, Menschen nach Europa zu bringen. Sondern darum, dass keiner ertrinkt!“ Von 150 Geretteten müssten 110 ohnehin wieder nach Hause. „Ich bin froh, wenn ich etwas Sinnvolles tun kann“, begründet er seinen Einsatz. Menschen, die angesichts der Probleme fatalistisch werden, sagt er: „Jeder Beitrag zählt.“ Im Juli will er wieder auf die Sea Watch.