Bahnhofsmission: Die Helfer vom Gleis 1 lassen niemanden allein
Seit gut drei Monaten gibt es wieder eine Bahnhofsmission am Hauptbahnhof Die WZ hat die Helfer begleitet.
Elberfeld. 50 Euro. So viel legte eine alte Dame vor einigen Wochen auf die Theke der Bahnhofsmission. Als junges Mädchen sei sie nach dem Krieg nach Wuppertal gekommen. Die ersten, die ihr damals halfen, seien die Bahnhofsmissionare gewesen. Das habe sie nie vergessen - und dafür wolle sie sich bedanken. Dankbarkeit ist ein gutes Stichwort, wenn es um die Bahnhofsmission geht. Seit die Helfer in den blauen Westen wieder am Bahnhof Döppersberg angesiedelt sind, ist der vielgescholtene, kalte, graue Bahnhof ein bisschen wärmer geworden.
Wärmer - das kann ganz praktisch gemeint sein: Der Zug hat mehr als eine Stunde Verspätung, es ist kalt und ungemütlich, aber eine Tasse heißen Kaffee bekommt jeder in der Bahnhofsmission. Wärmer kann aber auch im übertragenen Sinne gemeint sein: Wenn sich eine Mutter an Gleis 2 mit dem Kinderwagen die Stufen hinunter quält, weil weder Aufzug noch Rolltreppe zur Verfügung stehen, dann packen die Bahnhofsmissionare mit an. Und aus ihrer Westentasche zaubern sie am Ende noch ein Tütchen Gummibärchen für das Kind.
"Als Mitarbeiter der Bahnhofsmission ist man so ein bisschen Mädchen für alles", sagt Hartmut Gerwing. Er ist groß, breitschultrig, hat ein freundliches Gesicht und Hände, die anpacken können. Einer, zu dem man sofort Vertrauen hat. Als er an den Gleisen entlanggeht, dauert es nicht lange, bis er angesprochen wird. "Können Sie mir sagen, wo der Zug nach Duisburg abfährt?" "Ich komme mit dem Fahrkartenautomat nicht klar, können Sie mir helfen?" Wer die blauen Helfer nicht selbst entdeckt, wird von ihnen gesehen. "Im Laufe der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, wem man Hilfe anbietet und wer auch allein klar kommt." Mit einem Ruck hebt er den Koffer von Kirsten Heidepriem an. Mit ihrer Bekannten mühte die sich gerade noch, das schwere Gepäckstück die Treppen hinauf zu hieven, als sie unerwartet Hilfe bekommt.
Oft sind es aber auch ganz andere Dinge, bei denen die Bahnhofsmissionare gefragt sind. Ein Drogenabhängiger, der auf der Toilette zusammengebrochen ist, eine junge Frau, die bei schwüler Gewitterluft ohnmächtig geworden ist, ein Obdachloser, der einfach mal sitzen und erzählen möchte. Bahnhofsmissionare sind Sozialarbeiter, Wundversorger, Seelentröster, Kaffeekocher, lebende Fahrplanauskunft, Kofferträger oder einfach Ansprechpartner. Sie sind da und sie helfen, ohne groß auf sich aufmerksam zu machen. Wer die Augen aufhält, sieht sie sofort, für die meisten reihen sie sich unauffällig in den Trubel am Bahnhof ein.
Frank Scharnhorst ist einer, der gerne mal bei der Bahnhofsmission vorbeischaut. In dem kleinen Raum am Gleis 1 ist immer jemand, mit dem er reden kann oder der sich auf eine Partie Schach mit ihm einlässt, "ohne Chance natürlich", lacht Ilonka Weber. Sie ist hauptamtlich in der Bahnhofsmission tätig.
"Ich denke, ich kann ganz gut neue Dinge aufbauen. So kam es, dass ich hier gelandet bin", sagt sie und erzählt, dass es in den drei Monaten seit der Eröffnung viele positive Reaktionen auf die Bahnhofsmission gegeben habe. "Vor allem in den Köpfen älterer Leute ist die Bahnhofsmission als unverbindliche Hilfe fest verankert. Vielen jüngeren fehlt das." Während sie spricht, setzen Kollegen neuen Kaffee auf, finanziert wurde der von Caritas und Diakonie. Und von Spenden, mit denen die Bahnhofsmission bedacht wird - etwa mit 50 Euro von der Theke.