Blick hinter die Buchdeckel

Der Vorleser Rolf Langenbach hilft Schülern, sich für Bücher und das Lesen zu begeistern.

Elberfeld. Im internationalen Vergleich haben die deutschen Schüler in den vergangenen zehn Jahren zwar mächtig aufgeholt, doch wie die aktuelle Pisa-Studie zeigt, sind die 15-Jährigen im Lesen weiterhin nur Mittelmaß. Mathe gut — Lesen schwach. Rolf Langenbach (69) ist davon überzeugt, dass sich hinter der Leseschwäche ein weit größeres Problem verbirgt. „Ich spüre, dass es vielen Kindern außerhalb der Schule an der nötigen Zuwendung fehlt und dass sich viele sehr einsam fühlen.“

Zuwendung — das ist die Voraussetzung für das Zusammenspiel zwischen Vorleser und Zuhörer. Ein Zusammenspiel, das Rolf Langenbach als einer von zurzeit drei ehrenamtlichen Vorlesern in der St. Laurentius-Schule mit den Teilnehmern der freiwilligen Lese-Arbeitsgemeinschaft (AG) übt. Ein Zusammenspiel, das vielen Kindern sehr schwer fällt — unabhängig von der Schulform und unabhängig von der Muttersprache der Kinder, denn oft mangelt es an der nötigen Konzentration und Bereitschaft, die Rolle des Zuhörers oder Vorlesers einzunehmen.

„Besonders problematisch ist die Situation bei den Jungen. Im Schnitt lesen sie schlechter als Mädchen. Die Gründe dafür findet man in fast allen Kinderzimmern. Wo ein Computer, eine Play-Station oder ein Fernseher stehen — da betteln die Bildschirme geradezu um die Aufmerksamkeit der Kinder. Gegen diese Konkurrenz hat es ein Buch sehr, sehr schwer“, sagt Rolf Langenbach nachdenklich. Er hält es für wichtig, dass sich vor allem weitere Männer als Vorleser bei den Schulen melden. „Es mangelt zumeist an männlichen Vorbildern“, glaubt Langenbach.

Dass die Vorleser in den Schulen gegen ein wachsendes gesellschaftliches Problem ankämpfen, ist Rolf Langenbach bewusst. Doch aufgeben will er nicht, obwohl er in jeder Vorlesestunde erst einmal darum kämpfen muss, die Gedankenwelt der Kinder für die Inhalte zwischen den Buchdeckeln zu öffnen. Eine Stichprobe unter den Schülern der Klasse 6a ergibt: Viele haben zuhause Bücher im Bücherschrank, einige haben auch schon dicke Wälzer wie die Harry-Potter-Bände gelesen. Doch es fehlt oft an der Konstanz. Und echte Begeisterung für das Hobby Lesen ist auch nur bei wenigen herauszuhören. „Ich lasse mich nicht entmutigen. Für Schüler im Alter von 13 oder 14 Jahren ist eine solche AG vielleicht die letzte Chance, um sich mit dem Lesen anzufreunden. Wer als Erwachsener damit auf Kriegsfuß steht, auf den werden im Beruf unweigerlich massive Probleme zukommen“, glaubt der Vorleser.

Nach den Weihnachtsferien werden an der St. Laurentius-Schule wieder die Lesestunden auf dem Extra-Stundenplan stehen. Ob es nun die Abenteuer von Kalle Blomquist sind oder die der Vorstadtkrokodile, spielt für das Interesse an der Lesestunde zwar eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle. „Die Kinder müssen spüren, dass sie mir wichtig sind“, sagt Rolf Langenbach. Und er beschreibt damit ein Gefühl, das Kinder kennen, wenn ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen wird. Wie man die Muße entwickelt, sich in ein Buch zu vertiefen und darin zu verlieren — das würde Rolf Langenbach den Schülern gerne beibringen. Und bei solch edlen Zielen rücken Pisa und der nüchterne Schulalltag schnell in weite Ferne.