Elberfeld Das größte Kunstwerk der Stadt
Die Mauer an der Hochstraße zeigt seit 40 Jahren die Schöpfungsgeschichte. Der Künstler wünscht sich jetzt neue Strahlkraft.
Elberfeld. Es ist 73 Meter lang, sieben Meter hoch und hat eine Fläche von 500 Quadratmetern — das wahrscheinlich größte Kunstwerk der Stadt kann man direkt an der Stützmauer an der Ecke Hochstraße und Nevigeser Straße sehen. Gemalt wurde es von einem Schüler. Zumindest war er das 1975, als er es gemalt hat. Martin Dietz (53) war damals in der 7. Klasse am Gymnasium Vohwinkel und hat das Bild im Unterricht von Ulle Hees entworfen.
Täglich sehen Tausende Autofahrer das Bild — von der A 46, von der Abfahrt Katernberg und bei der Fahrt über die Hochstraße. Vor knapp zwei Jahren hat die Freiwillige Feuerwehr das Bild im Rahmen einer Übung gereinigt. Trotzdem ist es heute blass. Die Sprecherin des Bethesda-Krankenhauses oberhalb der Mauer sprach kürzlich davon, dass die Mauer „durchaus eine Aufwertung gebrauchen“ könnte.
Das findet auch der Künstler. Martin Dietz, der als Arzt in Barmen praktiziert und täglich von Vohwinkel aus an seinem Werk vorbeifährt, wünscht sich die alte „Strahlkraft“ zurück. Es störe ihn schon, dass das Bild verblasse und auch, dass es oben rechts in der Ecke beschmiert sei.
Auch wenn es derzeit nicht so schön ist, wie einst. Angst haben, dass es verschwindet, muss Dietz nicht. Die Stadt habe die Erhaltung des Bildes auf der Agenda, sagt Stadtsprecherin Martina Eckermann. Allerdings müsse die Mauer vorher saniert werden. Dafür gebe es aber noch keinen Zeitplan.
Das Bild zeigt — und heißt — „Die Entwicklung der Erde“. Es entstand im Schulunterricht. „Das Thema war großformatige Kunst“, erinnert sich Dietz. Die Schüler sollten eine Gestaltung für den Bunker am Schusterplatz entwerfen. Daran orientierte sich auch die Gestaltung: Das Bild hat sieben Ebenen, wie der Bunker sieben Etagen hat, und fußt auf der biblischen Schöpfungsgeschichte. Der frühere Stadtsprecher Ernst-Andreas Ziegler beschrieb es in seinem Buch „Liebeserklärung an Wuppertal“ so: „Zu unterst die Urflut, darüber die Erde, Gestirne, Pflanzen, Lebewesen in Wasser, Luft und an Land, schließlich Häuser für Menschen.“
Ziegler ging der Geschichte um das Bild auf den Grund und erzählte sie in seiner Sammlung. Die Geschichte eines Zufalls: Der Entwurf für den Bunker fiel dem damaligen Baudezernenten Norbert Jensen in die Hände. „Er meinte, das sei genau das Richtige für die dröge Betonwand unterhalb des Bethesda-Krankenhauses“, heißt es im Buch.
Ganz so sahen es nicht alle. Denn im Verkehrsausschuss hatte man Angst, das Bild würde die Autofahrer ablenken. Am Ende kam es aber doch an die Wand. 20 000 Mark hat das gekostet — und für die Klasse gab es 1000 Mark Honorar, die in Ausflüge nach Kleve und Holland investiert wurden.
Dietz fährt noch heute mit Stolz an dem Bild vorbei, etwas zum Stadtbild beigetragen zu haben — und mit der Hoffnung, dass es sich hält. Aber das war schon immer so. Schon 1991 hat Ernst-Andreas Ziegler die gleiche Sorge in seinem Buch erwähnt.
Dietz sieht das Bild auch so jeden Tag. Der Original-Entwurf von 1975 hängt bis heute in seinem Arbeitszimmer, eingeschweißt, eingerahmt und verziert mit dem Zahlenraster des Malermeisters, der das Bild damals an die Wand brachte.