Ein Stadtteil im Wandel: Rundgang durch Arrenberg

Elke Brychta führte vom Gutenbergplatz aus durch das Viertel und seine Geschichte.

Arrenberg. Eine Stadt erkundet man am besten zu Fuß. Wer dabei Quartiere wirklich entdecken will, schnürt nicht nur seine Siebenmeilenstiefel — er schließt sich einer der stadthistorischen Wanderungen an. Elke Brychta zum Beispiel unternahm mit 22 Interessierten eine bemerkenswerte, zweistündige Tour über den Arrenberg. Bei diesem zielgerichteten Spaziergang stimmte alles: Unter der Überschrift „Arbeiterviertel und Armenhilfe“ waren interessante Gebäude und Adressen angestrebt worden, die gelernte Kunsthistorikerin wusste Anekdoten und Fakten kurzweilig-fachgerecht miteinander zu kombinieren — und hatte Überraschungen parat, wie den Besuch im „Wuppergarten“ von Frederick Mann.

Schritt für Schritt lassen sich solche industriegeschichtlichen Wanderungen auch in verschiedenen Publikationen des Bergischen Geschichtsvereins nachlesen, gab die versierte Stadtführerin zur Begrüßung einen Literaturtipp. „Und wir schaffen nicht alle Stationen, die im Buch aufgelistet sind.“ Vom Treffpunkt Gutenbergplatz ging es zur Gutenbergstraße 57. Bevor dort über die wandelvolle Nutzung vom Vorkriegs-Seniorenstift über Asylantenheim bis zu seiner derzeitigen Bestimmung als Tageseinrichtung für Kinder berichtet werden konnte, brachte ein Hinweis am besagten Platz Elke Brychta und ihre Teilnehmer, überwiegend waschechte Wuppertaler, ins Gespräch.

„Hier stand früher ein Panoramakino“, wies die Stadtführerin auf die Ex-Bayer-Turnhalle hin, die heute ein Autohaus beherbergt. „Ja, das hieß ‚Atrium’ und jeden Sonntag guckte ich dort für 50 Pfennig einen Heimatfilm“, ergänzte Teilnehmerin Ursula Müller. „Ich bin oben am Viehhof groß geworden. Da hörte ich die Schweine quieken, ehe sie geschlachtet wurden“ und „am Ende der Gutenbergstraße verkaufte ein alter Mann das erste Speiseeis. Manchmal bekamen wir auch etwas geschenkt“, ergänzten andere — und plauderten miteinander über vergangene Zeiten und den Strukturwandel, den das Quartier durchlebt hat.

Zwischen Erklärungen zu Namensgebern von Straßen wie dem Reformer und Begründer des heutigen Kindergartensystems Friedrich Wilhelm August Fröbel oder der inzwischen zugemauerten Tür, die früher zur „Konsumgenossenschaft Befreiung“ („Arbeiter waren Anteilseigner, der Konsum sicherte die preisgerechte Grundversorgung“) führte, wusste Brychta zu Fassaden und Geschichtszahlen Wissenswertes zu berichten.

Denn Wuppertal, inzwischen berühmt für seine notorisch klamme Stadtkasse, zählte zu den wohlhabendsten Städten Preußens, wovon einige Prachtbauten zeugen. „Na ja, was halt vom Krieg verschont blieb“, wie Teilnehmerin Inge Braun sagte. Damals dienten sie, wie zum Beispiel die Wohnungen in der Löwenstraße, zur Behausung der Fabrikarbeiter.

Wo sich inzwischen wuppernah eine Tangoschule befindet, residierte damals — flussnah — eine Fabrik. Dort arbeiteten Färber der Firma von Hagen & de Haas. Und übrigens waren schon damals Frauen weitaus schlechter bezahlt als Männer, wie Brychta ausführte.

Und dann verwandelte sich die Stadtführerin flink in „Tante Hanna“, die gute Seele der Hinterhöfe. Die Volksmissionarin hieß bürgerlich Hanna Faust, hatte nach einer schlimmen Krankheit so etwas wie ein Erweckungserlebnis und „ging bei den Reichen von Tür zu Tür, um deren abgelegte Kleider zu sammeln und gab sie an Bedürftige weiter“. Vor allem erinnerte sie die Reichen bei ihren Hausbesuchen an deren Christenpflicht, nämlich zu geben und zu helfen.