Oxtor: Der Herr der Proberäume

Der Vollblut-Musiker Rüdiger Braune bietet im Oxtor am Gaskessel mehr als 100 Bands ein Zuhause.

Heckinghausen. Blut, Fließbandarbeit und Kälte herrschten vor, wo heute Kreativität, Freude und Musik im Mittelpunkt stehen — die Geschichte des Oxtors in Heckinghausen steckt voller Gegensätze. Vier Jahre lang stand die alte Fleischerei leer, bevor Rüdiger Braune sich des Projektes annahm, das man als sein Lebenswerk bezeichnen kann. Auch wenn der 59-jährige Musiker Geschichten erzählen kann, die für mehrere Leben reichen.

Seine Leidenschaft für Musik begann früh, bereits im Alter von sechs Jahren sang er bei der Wuppertaler Kurrende. Doch seine Liebe zur Musik wandelte sich schlagartig, als er zum ersten Mal die Beatles im Fernsehen sah. Er begann E-Gitarre zu spielen, gründete eine Band. Wahrscheinlich hat er unbewusst schon damals den Grundstein für das heutige Oxtor gelegt: „Ich habe das Desaster erlebt, einen vernünftigen Proberaum suchen zu müssen“, erinnert sich Rüdiger Braune.

Trotzdem wurde er fündig, gründete 1980 als Schlagzeuger — unter anderem mit dem heutigen Schauspieler und „SK Kölsch“-Kommisar Uwe Fellensiek — die Band „Kowalski“. Die Avantgarde-Band erregte mit ihrem ersten, weltweit von Virgin-Records vertriebenen Album „Schlagende Wetter“ große Aufmerksamkeit. „So etwas gab es damals halt noch nicht“, erinnert sich Braune.

Der Erfolg des Albums sorgte allerdings gleichzeitig für das Quasi-Aus der Band. Zu verlockend waren die Angebote für die Musiker: „Wenn man mit Anfang Zwanzig 2000 Mark angeboten bekommt, kann man schlecht ,Nein’ sagen.“ Auch Braune sagte „Ja“ und nahm ein Engagement in der Band von Gianna Nannini an, die er als Schlagzeuger zehn Jahre lang rund um den Erdball begleitete. Zu dieser Zeit komponierte er auch Stücke für die italienische Sängerin.

Nach Beendigung des Engagements 1994 fand er die alte Fleischerei in Heckinghausen, die sich eignete, seine Idee von einem Proberaum-Komplex mit Disco und angeschlossener Gastronomie umzusetzen. „Die Musiker sollten morgens im Oxtor Instrumente lernen und Proben können, mittags im ,Pförtner’ essen und abends im Butan auf der Bühne stehen“, erklärt Braune sein Konzept.

Und das ging auf: Schon bevor der aufwändige Umbau des Oxtors abgeschlossen war, waren die Proberäume ausgebucht. „Keine Band hat Lust auf feuchte Kellerräume und Nachbarn, die sich beschweren.“

Heute proben mehr als 100 Bands in den 64 Proberäumen des Oxtors. Das Spektrum reicht dabei von sechsjährigen Kindern, die ihre ersten musikalischen Gehversuche unternehmen, bis zu „Altherren-Formationen“ jenseits des 50. Lebensjahres.

Und auch prominente Musiker nutzen immer wieder die Räume im Oxtor: Neben seiner alten Weggefährtin Gianna Nannini hat Braune schon oft bekannte Künstler begrüßt. Die Wuppertaler Band Uncle Ho ist dort groß geworden und für den Musiker Sasha, bürgerlich Sascha Schmitz und zurzeit als Alter Ego „Dick Brave“ unterwegs, mussten mehrfach die Tore zum Hof des Oxtors geschlossen werden — die Plüschtiere der Teeniefans flogen trotzdem darüber.