Erwürgt und erstochen Stiefvater in Wuppertal getötet: Das ist das Urteil im Totschlag-Prozess
Wuppertal · Ein 63-Jähriger wurde erwürgt und erstochen. Nun ist sein Stiefsohn verurteilt worden.
Zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags hat das Landgericht am Freitag einen 39-Jährigen verurteilt, der angeklagt war, seinen Stiefvater (63) getötet zu haben. Nach einem langen Verhandlungstag erklärte sich das Gericht am Freitagabend überzeugt davon, dass der Stiefsohn derjenige war, der die tödlichen Handlungen ausgeführt hat: Der 63-Jährige war mit dem Gürtel eines Bademantels erwürgt und mit einem Messer erstochen worden. Beides war tödlich, was zuerst aus- und zum Tod geführt hat, ließ sich nicht feststellen.
Staatsanwalt Patrick Penders und Verteidiger Stefan-Marc Rehm lagen in ihren Forderungen sehr weit auseinander: Elfeinhalb Jahre Haft forderte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer: „Nach der Beweisaufnahme habe ich keine Zweifel, dass der Angeklagte für die vorgeworfenen Taten verantwortlich ist“, erklärte er. Ihm schlossen sich die drei Nebenklagevertreter von Angehörigen an. „Wir wissen gar nichts“, sagte dagegen Rechtsanwalt Rehm in seinem engagierten Plädoyer. Die vorgetragenen Indizien reichten nicht für eine Verurteilung seines Mandanten aus.
Der Angeklagte erklärte, er könne sich nicht erinnern
Die Polizei war in der Nacht auf dem 13. März gegen 2.30 Uhr von der Ehefrau (66) des Opfers in die Wohnung an der Hardtstraße gerufen worden, zunächst mit der Meldung einer Bedrohung: Sie habe Angst vor ihrem Sohn. Vor Ort trafen die Beamten die Anruferin, fanden dann den Getöteten auf dem Boden des Wohnzimmers – mit einem Messer im Rücken. Die von der Polizei alarmierte Notärztin konnte dem Mann nicht mehr helfen. Auf dem Sofa saß der Stiefsohn, sagte: „Was ist hier eigentlich los?“ Die Polizisten nahmen ihn fest.
Auch im Gericht sagte er, er könne sich nicht erinnern, was an dem Abend vorgefallen sei. Er lebte damals auf der Straße, hatte aber zwei Tage in der Wohnung von Mutter und Stiefvater bleiben können. Er habe mit dem Stiefvater ferngesehen und getrunken, sagte er, habe diesen unterstützt, wenn er auf Grund der Alkoholisierung nicht mehr laufen konnte.
Die unheilvolle Rolle des Alkohols
Der Alkohol spielte in der Familie eine große und unheilvolle Rolle: Der 63-Jährige war schon seit Jahren schwer alkoholkrank, konnte seinen Handwerksbetrieb kaum noch aufrecht erhalten. Er hatte zur Zeit des Todes 3,4 Promille im Blut. Die Ehefrau litt darunter, klagte darüber bei Bekannten und Angehörigen. Sie sagte selbst, sie sei trockene Alkoholikerin, habe aber an dem Abend etwas getrunken. Der Sohn, der einige Jahre als Koch gearbeitet hat, zuletzt arbeitslos und wohnungslos war, ist ebenfalls alkoholabhängig, ist betrunken schon öfter gewalttätig geworden, auch gegen die Mutter. Nach der Festnahme wurden bei ihm 3,1 Promille festgestellt.
Die Ehefrau und Mutter hat mehrere widersprüchliche Aussagen gemacht. Vor Gericht sagte sie, sie habe in der Nacht ihrem Sohn ein Kissen fürs Sofa gebracht, sei dann zur Toilette gegangen. Als sie zurückkam, habe ihr Mann mit dem Messer im Rücken auf dem Boden gelegen. Sie habe vorher keine Geräusche und keinen Streit gehört. Sie habe dann die Polizei gerufen. Warum sie dieser nichts von ihrem toten Mann erzählt hat, konnte sie nicht sagen.
Genauer Todeszeitpunkt ist nicht mehr feststellbar
Wann genau der 63-Jährige starb, ist nicht mehr festzustellen. Eine Gerichtsmedizinerin erläuterte, dass nach der Körpertemperatur des Toten der Tod zwischen etwa 18.30 und 0.15 Uhr eingetreten sein kann. Aus den Verletzungen und Blutspuren ist herzuleiten, dass der 63-Jährige zunächst geschlagen, möglicherweise getreten wurde: Er hatte zahlreiche blutende Wunden im Gesicht und am Kopf.
Um seinen Hals war der Gürtel des Bademantels gezogen, den die Mutter an dem Abend ohne Gürtel trug. Damit war dem Mann die Luft abgedruckt worden. Das Messer war ihm „mit Wucht“ in den Rücken gestoßen worden, was zu Blutungen in den Brustkorb und einem Lungenkollaps führte. Beide Vorgänge waren tödlich, aber nicht sofort, so die Gerichtsmedizinerin.
DNA am Gürtel und Blut an den Händen
Staatsanwalt Penders führte an, dass sich am Bademantelgürtel DNA des Sohnes befand, nicht der Mutter. Der Sohn hatte Blut des Opfers an den Händen. Am Bademantel selbst war auch Blut, das meiste waren aber Wischspuren. Die Aussagen der Ehefrau seien zwar widersprüchlich, so Penders, hätten aber eine Konstante. Sie habe immer wieder gesagt: „Ich war es nicht.“ Mal sagte sie, ihr Sohn sei es gewesen, sogar, sie habe gesehen, wie er zustach. Dann wieder sagte sie nur, dass sie zu dritt in der Wohnung waren und sie es nicht gewesen sei. Penders war von der Schuld des Sohnes überzeugt.
Verteidiger Rehm hielt die vom Staatsanwalt angeführten Indizien nicht für ausreichend. Der Fokus sei viel zu schnell auf seinen Mandanten gelegt worden. Viele Angeklagte sagten, dass sie eine Tat nicht begangen hätten. Er führte an, dass am Messer keine Fingerabdrücke waren, auch nicht die seines Mandanten. Dass an dessen Händen keinerlei Faserspuren von dem Bademantelgürtel gefunden wurden. Was man wisse, reiche nicht, um seinen Mandanten zu verurteilen, das Gericht müsse „im Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden.
Möglichkeit zur Therapie nach einigen Jahren Haft
Das Gericht sah es auch so, dass in dem Fall nicht perfekt ermittelt worden sei, auch sei die Ehefrau und Mutter eine problematische Zeugin. Dennoch waren auch die Richter überzeugt, „dass wir hier den richtigen sitzen haben“, so der Vorsitzende Richter.
Es sei zweifelhaft, ob sich der Angeklagte wirklich nicht erinnere: Er habe selbst gesagt, dass er den Stiefvater „aus dem Augenwinkel“ auf dem Boden liegen sah. Er sei bereits öfter mit Gewalttaten in betrunkenen Zustand aufgefallen, während sowohl Stiefvater als auch Mutter nie gewalttätig wurden, sondern sich eher duldsam verhielten. Und er habe sehr viel Blut an den Händen gehabt – das passe zum Vorgehen, dem von Schlägen bereits blutenden Stiefvater den Bademantelgürtel um den Hals zu legen.
Wie ein psychiatrischer Gutachter ging auch das Gericht davon aus, dass der Angeklagte trotz seiner erheblichen Alkoholisierung seine Handlungen noch steuern konnte. Daher wurde die Alkoholisierung nur geringfügig strafmildernd gewertet. Wegen seiner Alkoholabhängigkeit ordnete das Gericht auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für eine Therapie an. Denn der Gutachter hatte erklärt, es bestehe die Gefahr für weitere Taten unter Alkoholeinfluss. Der 39-Jährige muss aber erst fast fünf Jahre in Haft verbringen, bevor die Therapie beginnt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.