Wahlkampf Titelverteidiger nimmt Fahrt auf

Bei der IHK trafen sich fünf OB-Kandidaten zum Wahlkampf. Im Umgang waltete Fairness — in der Sache zeigten sich deutliche Unterschiede.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Für einen CDU-Politiker ist die Industrie- und Handelskammer (IHK) normalerweise eine Art Wohnzimmer. Die Übereinstimmung der Konservativen mit der Mehrheit der Unternehmer ist traditionell groß. Peter Jung weiß das. Deshalb hat der Oberbürgermeister sich auf dem Podium der IHK auch sichtlich wohl und sicher gefühlt. Der Amtsträger nahm Fahrt auf, die Mitbewerber hielten aber das Tempo. Vor allem der Kandidat der Grünen, Marc Schulz, der auch im gediegenen Saal der IHK Punkte sammeln konnte.

In der Kammer ging es naturgemäß um Infrastruktur, um Steuern und Haushalt, um das Factory-Outlet-Center, um Ansiedlungspolitik.

Während Peter Jung sich klar und deutlich für den Ausbau der Straße durch Ronsdorf auf vier Spuren ausspricht, befürwortet auch der SPD-Kandidat Andreas Mucke die Anbindung an die A1, fordert aber ausreichend Lärmschutz. Marc Schulz hingegen hält den Ausbau der L419 für einen Fehler, der zu mehr statt zu weniger Verkehr führen wird. Darin ist er sich mit Gunhild Böth (Linke) und Beate Petersen (parteilos, WfW) einig. Alle drei plädieren für die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Jung befürwortet das Projekt grundsätzlich, will es weiter verfolgt wissen, so lange nichts Unüberwindbares dagegen spricht. Das sieht auch Mucke so, mahnt aber, die Sorgen der Anwohner, über deren Grundstück die Gondeln schweben, ernst zu nehmen. Auch Schulz steht dem Projekt offen gegenüber, vertritt im Grunde dieselbe Position wie Jung. Böth zweifelt am Sinn des Projektes, weil die Gondeln zwischen Grifflenberg/Uni und Küllenhahn leer seien. Die Verlängerung auf die Südhöhen sei lediglich geplant, um das Projekt förderfähig zu machen.

Während Jung, Mucke und Schulz die Entscheidung für den Umbau des Bahnhofsareals nebst Sperrung der Bundesallee verteidigen, kritisieren Böth und Petersen fehlende Bürgerbeteiligung an diesem für Wuppertal einschneidenden Projekt.

Jung räumt ein, dass der Umgang Wuppertals mit Remscheid in dieser Frage nicht ganz in Ordnung gewesen ist. Stadtkämmerer Johannes Slawig hatte Remscheid aufgefordert, von den eigenen Outlet-Plänen Abstand zu nehmen. „Das hätte man auch freundlicher formulieren können“, sagte Jung. In der Sache bleibt er entschlossen. Schulz verschließt sich den FOC-Plänen grundsätzlich nicht. „Vielleicht geht es aber auch ein bisschen kleiner.“ Mucke wünscht sich in dieser Frage engen Schulterschluss mit dem Einzelhandel und mahnt einen Plan dafür an, „was wir mit dieser Stadt machen wollen“. Das FOC sei attraktiv, wenn es helfe, Kaufkraft zu binden. Böth und Petersen sehen in dem mit bis zu 30 000 Quadratmeter geplanten FOC eine große Gefahr für die Innenstadt. „Das nähme der Innenstadt einiges weg“, sagt Petersen.

Mit der Ansiedlung der irischen Textilkette mitten auf dem Döppersberg sind offenbar alle Kandidaten nicht zufrieden. Während Böth und Petersen sie kategorisch unter anderem mit Blick auf Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern und Nachhaltigkeit ablehnen, verteidigt Jung Primark mit dem Hinweis auf die Marktwirtschaft. Primark habe im übrigen nicht nur Kunden aus ärmeren Bevölkerungsschichten. Es seien vielfach die Kinder aus besser gestellten Haushalten, die dort tütenweise Textilien einkauften. „Das ist die Entscheidung des Kunden. Wenn keiner hingeht, dann sind die in zwei Jahren wieder weg.“

Schulz würdigt den Stabilitätspakt im Land, der mit Hilfe der Grünen zustande gekommen sei und dazu führe, dass Wuppertal 2017 einen ausgeglichenen Haushalt habe. „Wir brauchen aber auch Unterstützung des Bundes.“ Schulz kritisiert das Dezernat Bürgerbeteiligung. Es sei überflüssig, weil Bürgerbeteiligung grundsätzlich Aufgabe der gesamten Stadtverwaltung sei und kein teures Dezernat brauche. Jung sagt, es sei wichtig, dass Wuppertal den Prozess des Schuldenmachens beende. Es dürfe nur noch ausgeglichene Haushalte geben. Höhere Grundsteuern schloss er aus. Die Kommunen bräuchten einen Altschuldenfonds, der Bund, Ländern und Gemeinden getilgt werde. In dieser Frage wird Jung von Gunhild Böth unterstützt. „Als wir Linken das im Landtag gefordert haben, sind wir allerdings von allen beschimpft worden.“ Mucke wünscht sich einen strategischeren Umgang mit dem Geld im Haushalt und sagt, dass sich durch Präventionsarbeit etwa in Familien auf Dauer sehr viel Geld sparen lasse.