Literatur Trost und Skepsis in Corona-Gedichten
Wuppertal · Matthias Buth veröffentlicht „Die weiße Pest“.
Mehr denn je beherrscht Corona die Schlagzeilen. Daran arbeiten sich aber längst nicht mehr nur Politiker und Journalisten ab. Auch Schriftsteller kommen am alles dominierenden Thema nicht vorbei. Vertreter aller Genres setzen ihre Wortkunst ein, um das eigene Verhältnis zur Pandemie zu klären.
Der Lyriker Matthias Buth versammelt in seinem jüngsten Band „Gedichte zu Zeiten der Corona“. Der Buchtitel „Die weiße Pest“ stellt die Verbindung zu den Pandemien der Vergangenheit her und macht zugleich den Unterschied klar. Anders nämlich als der „Schwarze Tod“ des Mittelalters sei Covid 19 lange eine abstrakte Bedrohung gewesen – „weiß und unsichtbar“, wie es im Schlüsseltext „Pest“ heißt.
Dass Corona und die Folgen den 1951 in Wuppertal geborenen Autoren „existentiell bedrängen“, vermittelt sich nicht nur in den insgesamt 240 Gedichten. „Grauenhaft“ nennt er im Gespräch das einsame Sterben in den Intensivstationen. Sein lyrisches Ich ahnt die „zweite Welle“, die „nicht kommen soll“. „Doch die Dünen warten/ Auf die weiche Umarmung.“
In der Sammlung finden
sich auch naturlyrische Zeilen
An anderer Stelle wird der Virus mit einem „Asteroideneinschlag“ verglichen, der die Erde bis heute erschüttere. Dabei kann das Ich im Gedicht nicht nur Metapher, sondern auch Klartext. Den Verharmlosern und Leugnern entgegen die Zeilen aus „Sicherheit“: „Corona bleibt und wird uns nicht verlassen/ Gleich ob Chinas Labore es gewesen/ Oder Fledermäuse es weitergaben“.
Monothematisch ist die Gedichtsammlung allerdings nicht. Da findet sich auch Naturlyrisches in der Tradition von Günter Eich und Peter Huchel – so als habe die Zeit im Lockdown den Dichterblick für das Allerkleinste noch geschärft. Es gibt eine umfangreiche Hommage an die Kathedrale Notre-Dame, die im April 2019 in Flammen stand. Im Nachwort spricht Torsten Voß, Germanistik-Dozent an der Bergischen Universität, von einem vielfältigen „Erlebnis- und wohl auch Erinnerungsraum“ unter dem Eindruck von Corona.
Den Literaturwissenschaftler lernte Buth nach einem Vortrag auf dem Campus Grifflenberg kennen und merkte schnell, „dass wir uns was zu erzählen haben.“ Überhaupt ist der „Dichter-Jurist“ immer wieder gern an der Wupper auf Besuch, obwohl er schon viele Jahre im Kölner Umland wohnt. Seinem Bekannten Voß zeigte er auch das Zooviertel, in dem er aufgewachsen ist. Diesen Wurzeln sind die Gedichte „Sonnborn“ und „Wir Trümmerkinder“ gewidmet. Letzteres wurde für den Kollegen Jörg Aufenanger geschrieben, der seine Nachkriegsjugend auf der Kaiser-Wilhelm-Allee ebenfalls in Literatur verwandelt hat.
Die Prägung durch ein christliches Familienleben zieht sich wie ein Leitmotiv durch „Die weiße Pest“. Dabei steht Tröstliches („Das Kreuz schweigt uns ab/ Und will umarmen“) neben skeptischen Worten gegenüber den offiziellen Kirchenvertretern. Wenn hier Papst Franziskus den Ostersegen erteilt, „niemand ihm gegenüber“, erscheint er als Sinnbild der Isolation. Auch wer der kritischen Sichtweise nicht folgen möchte – für eine intensive, anregende Lektüre sorgen Buths neue Gedichte allemal.