Bergische Universität Wie aus Lückenfüllern kunstvolle Geschichten über Helden wurden
Privatdozent Dr. Christian Klein von der Bergischen Universität beschäftigt sich wissenschaftlich mit mit den bunten Bildergeschichten, die Jung und Alt begeistern.
Micky Maus, Donald Duck, Batman, Superman, Popeye, Peanuts, Garfield, Lucky Luke und Ottifant sind Helden unserer Kindheit und haben eines gemein: Sie alle sind Comics, jene kunstvollen Bildergeschichten, die seit einigen Jahren auch Gegenstand der Wissenschaft geworden sind. Comics, wie wir sie heute lieben, entstanden erst am Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten. „Zunächst gab es ganzseitige Comic-Geschichten in den Sonntagsbeilagen der Tageszeitungen. Deren Beliebtheit führte dazu, dass man auch unter der Woche die Leser mit Comics unterhalten wollte. Dass Comicstrips so aussehen, wie wir sie heute kennen, hat damit zu tun, dass sie in den Wochentagsausgaben dann da eingesetzt wurden, wo gerade noch Platz war“, sagt Christian Klein, der an der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität als Privatdozent Neuere deutsche Literaturgeschichte und Allgemeine Literaturwissenschaft lehrt.
Die Geschichte von Bilderfolgen ist aber schon viel älter. Die einen datieren sie in die Antike, andere ins Mittelalter. Sie finden sich in japanischen Tuschezeichnungen ebenso wie in gestickter Form. Klein: „Die Geburt des modernen Comics wird in den 1890er Jahren in New York angesetzt.“ So zielte der erste erfolgreiche Comicstrip des Zeichners Richard Felton Outcault, der Geschichten um das sogenannte „Yellow Kid“ erschuf, auf irische Emigranten ab. Er ließ seine neu geschaffene Kunstfigur in einem Slang sprechen, in dem sich die Einwanderer wiedererkannten. „Entsprechend war dieser Comic unter den irischen Emigranten sehr erfolgreich. Damit hat sich die Zeitung eine Leserschaft erschlossen, die sonst die Zeitung vermutlich nicht gekauft hätte.“
Auch ein deutscher Comiczeichner, der Emigrant Rudolph Dirks, konnte ab 1897 mit seinen „Katzenjammer Kids“ eine Erfolgsserie starten, die an „Max und Moritz“ angelehnt war. „Die Figuren haben deutsch-englisches Kauderwelsch gesprochen. Die deutschen Emigranten, die noch nicht so gut Englisch sprachen, konnten diese Comics verstehen“, sagt Klein.
Er selbst ist über das Comicsortiment der Zeitschriftenhändler beim Einkauf der Eltern zu seinen persönlichen Comic-Helden gekommen. „Ich habe viele Comics gelesen. Beim Wochenendeinkauf durfte ich immer ein Micky Maus-Heft mitnehmen, und mein Vater hat alle Asterixhefte gehabt.“ Sein Favorit ist die Figur Gaston Lagaffe des belgischen Comiczeichners André Franquin. „Er ist eher ein Antiheld: ein Redaktionsbote in einem Verlag. Er ist faul, aber liebenswert und gibt sich immer Mühe, es allen recht zu machen – und es endet alles immer im Chaos.“
Wenn man von Helden in Comics spricht, denke man natürlich gleich an Superhelden: „Es gibt im Hinblick auf Superheldencomics drei Zeitalter“, erklärt Klein, „das goldene, das silberne und das dunkle Zeitalter. In der ersten Phase waren alle strahlend und patriotisch – wie eben Superman.“ Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kippte die Gewogenheit der Leserschaft, denn sie empfanden diese durchweg positiven Helden zunehmend als langweilig. „Man setzte verstärkt auf gebrochene Figuren wie Spiderman. Er ist eigentlich ein ganz normaler Junge, der durch einen Unfall zu seinen besonderen Fähigkeiten kommt, die ihm nicht nur Freude machen.“
Immer wieder beschäftigte sich Klein mit der Kunstform Comic und kam mit seiner Kollegin Julia Abel auf die Idee, ein Comic-Seminar an der Bergischen Universität anzubieten, um die diversen Facetten der gezeichneten Bilderfolgen zu beleuchten. „Im deutschsprachigen Raum fängt die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit Comics um die Jahrtausendwende an, in den USA und in Frankreich früher“, erzählt er. Daher sei auch die Sekundärliteratur im deutschsprachigen Raum lange eher überschaubar gewesen.
Die Entwicklung in den USA war allerdings zunächst von einer comicfeindlichen Haltung geprägt. „In den 50er und 60er Jahren wollte man von soziologischer und psychologischer Seite her belegen, dass Comics schlecht für die Jugend seien, und hat sich aus diesem Grund intensiv mit Comics beschäftigt“, so der Forscher. Die öffentliche Kritik an Horrorcomics oder Crimecomics führte bei den Verlagen zu einer Art Selbstzensur aus Angst, ihre Hefte könnten nicht mehr verkauft werden. Fortan waren alle möglicherweise kontroversen Themen und Darstellungen tabu. „Das führte zu einer inhaltlichen Verflachung der Comics und zu einer Anpassung an das herrschende konservative Wertesystem“, sagt Klein. „In den 60er Jahren entwickelte sich eine Art Gegenbewegung, die sogenannten Undergroundcomics, die alles zeigten: Drogenkonsum, Sex, Gewalt, Wahnsinn, alles, was in den weichgespülten Comics für die Jugend keinen Platz hatte.“
Der Comic habe in der Regel eine Erzählebene mehr, weil er ja normalerweise aus Text und Bild besteht, erklärt Klein, er könne dadurch sehr komplex erzählen, ohne dass das für den Leser kompliziert werde. Die Text-Bild-Beziehung ermögliche es etwa, gleichzeitig verschiedene Erzählerstimmen oder verschiedene Erzählperspektiven zu präsentieren. „Gerade die Bilder ermöglichen es, dass im Comic vieles thematisiert und dargestellt werden kann, wofür einem vielleicht die Worte fehlen.“
Comicfans findet man in jeder Generation. „Im Idealfall fange ich als Kind an zu lesen und höre nicht mehr auf“, erzählt Klein. „Wir müssen nicht perfekt lesen können, um uns Comics anzusehen. Das ist oft der Einstieg in die Lesebiographie. Man kann viel über die Bilder verstehen.“ Außerdem erzähle der Comic oft verschiedene Geschichten für unterschiedliche Adressaten. „Nick Knatterton ist ein gutes Beispiel. Den habe ich als Kind als spannende Detektivgeschichte gelesen – aber er hat viele politische Anspielungen.“