Verkehrte Welt: Stellen abbauen, um einstellen zu können

Wilma Haberlandt, Leiterin des Vohwinkeler Jugendhauses, und Sozialdezernent Stefan Kühn reden über die geplanten Kürzungen bei der Jugendarbeit.

Frau Haberlandt, die Vohwinkeler müssen Ende des Jahres auf Sie verzichten. Sie gehen als langjährige Leiterin des Jugendhauses Vohwinkel-Mitte und nach mehr als 30 Jahren im Stadtteil am 31. Oktober in den Ruhestand. Wie fühlen Sie sich?

Wilma Haberlandt: Noch bin ich ja nicht weg (lacht). Doch ich mache mir natürlich schon Gedanken darüber, wie es angesichts der personellen und finanziellen Situation der Stadt mit unserer Arbeit weitergehen wird.

Die geplanten Kürzungen in der städtischen Jugendarbeit werden heftig kritisiert. Warum sollen ausgerechnet dort Stellen gespart werden?

Stefan Kühn: So paradox es klingen mag: Um wieder einstellen zu können. Denn zurzeit gibt es einen Einstellungsstopp von Seiten der Bezirksregierung. Sie fordert weitere Einsparungen von uns, auch bei der Jugendarbeit.

Wie wird dieser Einstellungsstopp begründet?

Kühn: Die Bezirksregierung argumentiert damit, dass in keinem Gesetz steht, wie viel Jugendarbeit genau wir in Wuppertal vorhalten müssen. Es handelt sich zwar um eine gesetzliche Pflichtaufgabe, aber nur dem Grunde nach — nicht der Höhe nach. Und weil Wuppertal wegen der Finanzlage unter Kommunalaufsicht steht, hat die Bezirksregierung zuletzt einen strikten Kurs gefahren: keine Neueinstellungen, wenn Mitarbeiter ausscheiden. Egal, ob Kollegen in den Ruhestand gehen wie jetzt Frau Haberlandt, in Elternzeit oder nach einer befristeten Beschäftigung ausgeschieden sind: Immer wenn eine Stelle frei wurde, durften wir sie nicht wieder besetzen. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren schon viele Kollegen verloren.

Mit welchen Folgen?

Kühn: Wir werden personell in einen weiteren Sinkflug geraten, wenn wir nicht zu einer Vereinbarung mit der Bezirksregierung kommen.

Und diese Vereinbarung soll durch die Sparpläne getroffen werden?

Kühn: Ja. Es ist eine wirklich schmerzhafte Vereinbarung. Wir schlagen der Bezirksregierung vor, dass wir unsere Soll-Stellenzahl im Fachbereich Jugend und Freizeit von jetzt 69 auf 62 Stellen reduzieren. Um dann auf der Basis 62 wieder einstellen zu dürfen — denn schon jetzt haben wir ja überhaupt nur noch 60 Kollegen. Durch das bisherige Abschmelzen sind wir bereits unter diese Zielmarke von 62 gerutscht.

Erst, wenn das umstrittene Spar-Paket beschlossen wird, können Sie also wieder einstellen?

Kühn: Mein Vorschlag an die Politik ist, diesen Beschluss zu treffen, damit wir sofort zwei Stellen besetzen können, um von 60 auf 62 zu kommen. Und, um auch in Zukunft einstellen zu können. Derzeit ist das nicht möglich.

Das Sparkonzept dient also der Stellensicherung?

Kühn: Es dient dazu, den Sturz ins Bodenlose mit einer Reißleine zu stoppen. Es wird nun in den Bezirksvertretungen und im Jugendhilfeausschuss beraten. Im Mai hat der Rat das letzte Wort. Die Politik muss entscheiden, ob Sie diesen Weg mitgehen will.

Gesetzt den Fall, das Konzept wird beschlossen — was dann?

Kühn: Wir haben der Bezirksregierung unseren Vorschlag bereits übermittelt und würden nach der Ratssitzung sofort auf sie zugehen mit der Bitte, uns sofort grünes Licht für die Wiederbesetzung der beiden Stellen zu geben. Dann würde das übliche personelle Verfahren wieder in Gang kommen können.

Gibt es schon eine Reaktion der Bezirksregierung?

Kühn: Ja. Man hat uns signalisiert, dass unser Konzept nach erfolgtem Ratsbeschluss umgesetzt werden kann.

Dann hätte Wuppertal verlässliche Rahmenbedingungen?

Kühn: Dann haben wir aus der gesetzlichen Aufgabe dem Grunde nach endlich auch eine der definierten Höhe nach gemacht und Planungssicherheit für die Dauer des Landesjugendplans — das sind fünf Jahre.

Und wenn der Rat die Kürzungen nicht beschließt?

Kühn: Dann würde es so sein, dass die Bezirksregierung weiterhin keiner Stellen-Wiederbesetzung zustimmt.

Wie würde sich das auswirken?

Kühn: In den nächsten zehn Jahren werden uns — auch aus Altersgründen — viele Kollegen verlassen. Wenn jetzt, wegen des Einstellungs- und Ausbildungsstopps, nichts „nachwächst“, dann haben wir bald sehr große Personalprobleme.

Was halten Sie von rebellischen Tönen, auch aus Vohwinkel, sich gegen die Vorgaben der Bezirksregierung zu wehren?

Haberlandt: Ich kann die Vohwinkeler verstehen. Die Kürzungen betreffen in erster Linie den Wuppertaler Westen. Mit der Begründung, dass dort eine einigermaßen gute Versorgung vorhanden ist — noch. Wenn ich an die Tesche und an die Waldkampfbahn denke — gute Präventionsarbeit wäre in Gefahr. Das ist schon ein richtig gemeiner Einschnitt.

Warum treffen die Kürzungen Vohwinkel so besonders?

Haberlandt: Es ist ja nicht das erste Mal, dass bei uns gespart wird. Wir haben seit vielen Jahren immer wieder finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man so nicht mehr weiterarbeiten kann. Unser städtischer Etat ist in der Regel im April aufgebraucht. Alles, was bis Jahresende finanziert wird, müssen wir organisieren, aus Einnahmen, Vermietung und Spenden.

Aber es geht bei den Kürzungen nicht nur um Vohwinkel.

Haberlandt: Eben. Das ist ja das Ärgerliche: Es ist ein ganzes Paket — das eine bedingt das andere. Und ich bin der Ansicht, dass Vohwinkel nicht die Probleme in der Südstadt oder in Barmen lösen kann. Aber wenn der Rat die Sparpläne so beschließt, haben sie nun einmal die Kürzungen für Vohwinkel zur Folge.

Gibt es denn in Wuppertal zu viel oder mehr präventive Jugendarbeit als anderswo?

Kühn: Nein — im Gegenteil. Es gibt Vorschläge vom Bundesgesetzgeber, dass zehn Prozent der Gesamtaufwendungen in die Prävention fließen sollten. In Berlin ist das sogar mittlerweile per Gesetz festgeschrieben. In Wuppertal sind wir schon jetzt unterhalb dieser zehn Prozent.

Und das ist zu wenig?

Kühn: Wenn wir Prävention weiter zurückfahren, birgt das gesellschaftliche Risiken. Nicht nur für die jungen Leute, für uns alle. Dieses Problem können wir aber hier, vor Ort, nicht lösen, wenn uns die Bezirksregierung die Daumenschrauben anlegt.

Die Bezirksregierung ist also gefragt. Sie wurde ja schon kritisiert.

Kühn: Man muss auch einmal klar stellen: Die Bezirksregierung ist nicht irgendein demokratieferner „Moloch“, sondern sie hat den Auftrag, in ihrem Bezirk das Handeln der Landesregierung umzusetzen. Im Klartext: Da wird etwas umgesetzt, das offensichtlich die Linie des Landes ist. Nämlich: Obwohl wir in Sachen Präventionsarbeit unterhalb der zehn Prozent sind, soll die Arbeit weiter runtergefahren werden.

Wie könnte das Land sonst helfen?

Kühn: Das Land hat ja zumindest versucht, über den Nachtragshaushalt den Landesjugendplan zu erhöhen, also die Mittel, die das Land für die Jugendarbeit bereitstellt. 20 Millionen Euro soll es zusätzlich geben für neue Projekte. Doch es wäre zu überlegen, davon besser fünf oder zehn Millionen in die Stärkung der Infrastruktur zu investieren. Wenn wir dieses Geld bekommen könnten, dann wäre keine Stellenreduzierung nötig.