Kultur Von der Heydt-Museum zeigt Werkschau zu Hannsjörg Voth und Ingrid Amslinger
Wuppertal · Am 19. Mai öffnet in Wuppertal endlich die Werkschau zu Hannsjörg Voth und Ingrid Amslinger. Die Ausstellung trägt den Titel „Zu Lande und zu Wasser“.
In den 60er und 70er Jahren war die Landart neu, revolutionär und oft unverstanden. Das erlebte auch Hannsjörg Voth, der 1975 vier 30 Meter hohe, mit Lappen und Schnüren symbolisch umwickelte Fichtenstämme auf einem Feld der oberbayerischen Gemeinde Ingelsberg aufstellte. „Feldzeichen“ war Remineszenz an den Maibaum, ein Ausrufezeichen in der Landschaft. Nach einem Jahr sollte es wieder abgebaut werden. Unbekannte fällten die Bäume nach wenigen Wochen. Dabei hatte Voth auf den Umgang des Menschen mit der Natur und seine ökologische und soziale Verantwortung aufmerksam machen wollen. Themen, die auch heute bedrängen.
Im Von der Heydt-Museum wird das erste Großprojekt des heute 80-Jährigen, der zu den bekanntesten Konzept- und Landartkünstlern zählt, derzeit lebendig. In der Ausstellung „Zu Lande und zu Wasser“, die am 19. Mai eröffnet wird.
Landart, Konzeptionskunst und der Umgang mit der Natur
Am 16. März war die Werkschau in den vier Räumen des Mezzanin aufgebaut, die 128 Exponate – 47 grafische Arbeiten, zwölf Materialbilder, neun Objekte sowie 60 Fotos – umfasst. „Als wir das Haus verließen, wussten wir nicht, dass wir es erstmal nicht mehr betreten durften“, erinnert sich Kuratorin Anna Storm an die coronabedingte Schließung des Museums, die die für den 24. März vorgesehene Eröffnung vereitelte. Binnen weniger Monate hatte die Kunsthistorikerin gemeinsam mit dem in Bayern lebenden Künstler die Schau realisiert. Er wählte die Exponate aus, die bis auf sechs in seinem Besitz sind, sie kümmerte sich um die zu den Räumen passende Präsentation.
Die führt nun bewusst rückwärts, beginnt mit den Bildern, die zuletzt in der Wüste Marokkos entstanden, die Voth auf der Suche nach unverbrauchter Landschaft Anfang der 80er Jahre entdeckt hatte. Ihm zur Seite seine Frau Ingrid Amslinger, die sein Schaffen mit ihren künstlerischen Fotos eindrucksvoll dokumentierte, weshalb die Schau auch ihr gewidmet ist. Voths Themen stammen aus Mystik, Religion, aus seiner Beschäftigung mit den Ursprüngen der Welt. Sie alle zeichnet eine archaische, oft düstere Ästhetik aus. Seine feinen Kohlestift-Zeichnungen mit ihren teufelartigen Wesen, Schlangen, oft auch Paaren (Raum 1). Die groben, extrem präsenten, dynamischen Materialbilder, die die gleichen Wesen darstellen, aber auf dickem, mit Kleber beschmierten Büttenpapier, auf die er Lehm, Asche und andere Dinge, die er in der Wüste fand, durch ein Sieb rieseln ließ (Raum 2). Und die zarten Wasserfarbenbilder, auf denen der im islamischen Volksglauben gefürchtete weibliche Dämon Aisha Qandisha immer wieder auftaucht (Raum 3). „Voth malte als Kind im Land, machte eine Zimmermannslehre und studierte später Gebrauchsgrafik in Bremen“, erzählt Storm. Seine insgesamt neun Großprojekte waren physisch und kreativ anstrengend, weshalb er anschließend zum körperlich einfacheren Malen zurückkehrte.
Der Künstler gab seine Arbeiten bewusst der Zerstörung preis
Der größte, am Ende der Schau wartende Teil der Ausstellung, widmet sich den Hauptarbeiten, Voths Projekten (Raum 4). Storm: „Präzise durchdachte, sehr komplexe Arbeiten, die er fast im Alleingang schuf“, so Storm. Bewusst gab er sie Zerstörung oder Zerfall preis. Die Besucher sind auf Modelle, Fotos und eindrucksvolle Konzeptionszeichnungen angewiesen, um sich in sie hineinzuversetzen und sie nachzuerleben. „Reise ins Meer“ etwa, ein 30 Meter langes Floß, auf dem ein bewohnbarer, sargähnlicher Aufbau und darauf eine 20 Meter lange Mumienfigur aufgebracht war. 1978 wurde es zehn Tage von Speyer über den Rhein gezogen, wo es wie bei einer Feuerbestattung verbrannt wurde. Oder seine „Himmelstreppe“, ein 16 Meter hoher und 52 Stufen langer und bewohnbarer Lehmbau, der sich noch heute aus der flachen Wüstenerde der Marha-Ebene in den Himmel hebt. Voth selbst lebte und arbeitete mehrere Jahre darin. Storm: „20 Jahre lang hat er jedes Jahr sechs Monate in seinen Bauten gelebt.“ Auch in der „Goldenen Spirale“, die in Sichtweite in den 90er Jahren entstand, Symbol für den Kreislauf des Lebens. Sein von den Dimensionen größtes Objekt, „Stadt des Orion“ beschließt die bemerkenswerte Schau. Es stellt das Sternenbild als kleine Stadt mit Türmen dar, die als Observatorien dienen. „Voths Objekte funktionieren heute noch, seine Themen sind brisant wie nie“, wirbt Storm. Ab 19. Mai können sich die Wuppertaler endlich auch analog davon überzeugen.