Was bin ich, was macht mich aus?
Das Stück „Die Zofen“ von Jean Genet feiert im November Premiere im Theater am Engelsgarten. Es geht um essenzielle Fragen.
Die helle Bühne ist leer. Nur in der Mitte der schrägen Rückwand ist ein Gewusel aus verschiedenen Stoffen in roter, grauer, schwarzer und weißer Farbe angebracht, das entfernt an die Form einer Wolke erinnert. Zum Zuschauerraum hin geht die Spielfläche erneut in eine Schräge über. Kein Hinweis auf, keine Aussage über das Theaterstück, das hier geplant ist. Das Schauspiel Wuppertal bereitet „Die Zofen“, meistgespieltes Stück von Jean Genet, vor. Am 11. November findet die Premiere im Theater am Engelsgarten statt.
Die Saison 2017/18 ist im Schauspiel eng mit dem Thema „Spiel“ verknüpft. Das war bei Shakespeares „Der Sturm“ so, das soll auch beim Theaterklassiker des französischen Dramaturgen so sein, das dieser 1947 mit Erfolg auf die Bühne brachte. Freilich geht es hier ganz und gar nicht lustig zu. Regisseur Jakob Fedler verfolgt zwei Grundgedanken: Der Mensch spielt, um zu existieren, er entsteht erst durch das Spiel. Und: Der Mensch spielt, um Beziehungen, Machtkämpfe, Träume auszutragen. Die Zofen Genets, ein Schwestern- und Liebespaar, sind „in einer symbiotischen Beziehung aneinander gekettet“. In ihrem Spiel geht es darum, den Aufstand gegen die gnädige Frau zu proben und dabei zwei Sehnsüchte, die nach der schönen, reichen Dame und die nach der Verbrecherin und Täterin, auszuleben. Sie agieren in wechselnden Rollen — ein Spiel der Erniedrigung, Bewunderung und Verachtung. Fedler erklärt: „Ihre liebste Zeremonie ist die der Dame und der Zofe. Dabei gehen sie immer bis zu einem Punkt, an dem die Zofe ihre Herrin beinahe umbringt.“ Ob die echte Dame, dritte Person im Spiel, wirklich auftaucht oder nur Hirngespinst ist, bleibt dabei offen.
Stattdessen hängt alles am Spiel der Zofen Claire und Solange, dargestellt vom weiblichen Teil des Wuppertaler Ensembles, Lena Vogt und Philippine Pachl. Ausstatterin Darien Thomsen steckt sie in spielerische Kostüme, die zwar einige historische Details aufweisen, aber keine Arbeitskleidung sind. Die Personen sollen nicht auf Dienstmädchen reduziert werden. Auch die Idee, Männer an ihrer Stelle einzusetzen, kommt für Fedler nicht in Frage, weil er die Aussage des Stücks weder durch Travestietrash noch durch die Homosexuellenproblematik verdeckt haben will. „Wie bei Sartre (der Genet gefördert hat, Red.) geht es um die Frage, was bin ich, was macht mich aus.“ Parallelen dazu sieht Fedler ausdrücklich beim irischen Schriftsteller Samuel Beckett, der sich Jahre später ebenfalls an Paarbeziehungen abarbeitete. Weniger bedeutsam, so Dramaturgin Barbara Noth, sei dagegen der echte Kriminalfall der Schwestern Papin, die 1933 ihre Arbeitgeberin und deren Tochter umbrachten. Auch wenn Genet sicherlich darum wusste.
Komplettiert wird die Inszenierung durch die Musik, die dem Team um Fedler sehr wichtig ist. Die bekannte Wuppertaler Musikerin Gunda Gottschalk hat einen Klangteppich komponiert und aufgenommen, der mit minimalistischen rhythmischen Mitteln arbeitet, die sich wiederholen und zugleich weiterentwickeln. Fedler: „Ein musikalisches, inneres Gefängnis, das auf einen Tag hinstrebt, an dem sich etwas ändert.“
Ob sich die Situation durch Tod oder Weggang einer der beiden Zofen auflöst — das erscheint da weniger wichtig.