Wichlinghauser Erlöserkirche war als „Sproedts Fabrik“ bekannt

Der 1914 eingeweihte Sakralbau im Heimatstil entstand in der Hochzeit der Industrialisierung

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Wenn am morgigen Sonntag Denkmale in ganz Deutschland ihre Türen und Tore für Besucher öffnen, stehen auch die Pforten der Wichlinghauser Erlöserkirche offen. Das imposante Gebäude an der Stahlstraße gehört der evangelischen Gemeinde Wichlinghausen-Nächstebreck und ist eine von zwei verbliebenen Gottesdienststätten. Die zweite, die Hottensteiner Kirche an der Wittener Straße, kann ebenfalls am „Tag des Denkmals“ besichtigt werden.

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Heiko Schnickmann, Historiker und Presbyter in der Gemeinde, hat die Erlöserkirche im vergangenen Jahr erstmals beim Denkmaltag der Öffentlichkeit präsentiert. Die Vorarbeit dazu hatte er schon ein Jahr zuvor erledigt: „2014 ist die Erlöserkirche 100 Jahre alt geworden. Dafür hatte ich neben Daten und Fakten auch Anekdoten gesammelt“, berichtet der Wichlinghauser.

Seine Erkenntnisse habe er unter anderem bei Führungen weitergegeben. Das sei auf großes Interesse gestoßen und so habe die Gemeinde entschieden, die Erlöserkirche beim „Tag des offenen Denkmals“ vorzustellen.

Aber es gibt auch noch einen weiteren Grund, das am 16. September 1914 eingeweihte Denkmal im Stil der wilhelminischen Kirchenarchitektur bekannter zu machen — und zwar in der eigenen Gemeinde: „Viele Menschen glauben, dass die Erlöserkirche gar nicht mehr zu Wichlinghausen, sondern nach Barmen gehört“, weiß Schnickmann.

Die Geschichte der Erlöserkirche passt genau in die Zeit der Hochindustrialisierung und der Urbanisierung. „Um 1900 zogen sehr viele Menschen nach Wichlinghausen, um hier zu arbeiten. Das war sicherer und brachte mehr Geld als in der Landwirtschaft“, erklärt Heiko Schnickmann. „Deshalb haben die Lutheraner schon 1902 das Grundstück gekauft, aber erst 1912 mit dem Bau der Erlöserkirche angefangen.“ Damals habe die Stahlstraße noch Lutherstraße geheißen.

20 Meter lang, 8,50 Meter breit und 49,42 Meter hoch ist der Turm der Erlöserkirche. Wegen seiner Spitze hatten die Wichlinghauser ihren Kirchturm schon bald nach der Eröffnung „Pickelhaube“ getauft. Die Kirche selbst, so berichtet Heiko Schnickmann, habe den scherzhaften Beinamen „Sproedts Fabrik“ erhalten. Walter Sproedt war der erste Pfarrer in der neuen Kirche.

Die Anspielung auf eine Fabrikhalle können Besucher bei einem Blick ins Innere des Sakralbaus mit seiner hohen Holzdecke nachvollziehen. Seit den Renovierungsarbeiten in den 1980er Jahren sind dort die Vertäfelungen mit einfachen Ornamenten und kleinen Fenstern wieder zu erkennen. Seit 1954 hatten sie unter Akustikplatten verborgen gelegen.

Die romanische Gewölbekuppel habe damals dem Wiesbadener Programm entsprochen, betont Schnickmann. Dieses habe sich bewusst gegen die klassische neugotische Bauweise in katholischen Kirchen ausgesprochen. „Der Erbauer der Erlöserkirche, Wilhelm Werdelmann, kam aus Minden und man sieht die Parallelen zur Kirche in seiner Heimat“, erläutert Schnickmann. Da scheint es nur passend, dass die Bauart der Kirche offiziell „Heimatstil“ genannt wird.

Imposant in der Erlöserkirche ist auch die alte Orgel — die eigentlich gar keine mehr ist. „Die Faust-Orgel ist in den 70er Jahren kaputt gegangen. Da die Orgelpfeifen unter Denkmal standen, konnte die Gemeinde sie nicht einfach ersetzen“, berichtet Heiko Schnickmann. Deshalb sei der nicht-sichtbare Orgelprospekt mit den Holzpfeifen im Hintergrund verkauft worden. Zu sehen sind aber noch die denkmalgeschützen Metallpfeifen.

Original erhalten aus dem Jahr 1914 ist auch noch die Empore. Anders als der Kirchsaal, der ursprünglich als Veranstaltungsraum für die Gemeinde genutzt werden sollte und daher Stühle hatte, weist sie festinstallierte Bänke auf.

Beim „Tag des offenen Denkmals“ ist die Erlöserkirche ab 12 Uhr geöffnet. Heiko Schnickmann führt um 16 Uhr vom Keller bis unters Dach.