Glosse Wie attraktiv sind Wuppertals Abgeordnete? - das unschönste Ranking des Jahres

Wuppertal · Eine Agentur hat Wuppertals Abgeordnete von einer KI nach ihrer Attraktivität sortieren lassen. Das provoziert ein paar kritische Gedanken.

Helge Lindh (SPD) ist einer der Bundestagsabgeordneten, die sich fürs Bergische einsetzen. Umfragewerte kennt er, aber der nun berechnete „Attraktivitätswert“ ist wohl ein Novum für den Politiker.

Foto: Helge Lindh/Christoph Busse

Rankings und Statistiken gehören zum Alltag eines Zeitungsredakteurs. Sie geben mittels messbarer Daten eine Antwort auf Fragen, die für uns alle relevant sind. Etwa: Steigt die Straßenkriminalität? Wie verhält es sich mit der Arbeitslosigkeit? Wie schneidet Wuppertal im Städtevergleich ab?

Es gibt allerdings auch Erfassungen von Agenturen, bei denen man sich zwangsläufig am Kopf kratzen muss. Jetzt landete so eine „Analyse“ in unserem Redaktionspostfach. Der Titel: „Das sind Deutschlands schönste Bundestagsabgeordnete“. Haben Sie sich schon einmal gefragt, in welcher Bundestagsfraktion, die attraktivsten Männer und Frauen sitzen? Haben Sie schon einmal nachts darüber gegrübelt, ob Alice Weidel am Ende nicht schöner ist als Olaf Scholz? Nein, das wollten Sie noch nie wissen? Egal – jetzt kommen die Antworten.

Folgerichtig, dass bei dieser Auswertung die herkömmliche menschliche Intelligenz an ihre Grenzen stößt und sich die Analysten für ihre Arbeit Künstliche Intelligenz zur Seite geholt haben. Diese hat nämlich die Gesichter der Bundestagsabgeordneten analysiert und den Damen und Herren, die unser Land regieren, einen „Attraktivitätswert“ zugewiesen. Dabei stellte sich unter anderem heraus: Bruno Hönel von den Grünen ist mit 9,5 von 10 möglichen Punkten der attraktivste deutsche Abgeordnete. Geht es nach dem Ranking, sollten sich allerdings Politiker wie Olaf Scholz (nur 5,97 Punkte) Gedanken über eine Typveränderung machen.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, im Bundestag. Auch ihn hat die KI unter die Lupe genommen.

Foto: dpa/Gregor Fischer

Natürlich hatte die Analyse auch die lokalen Daten zu bieten, auf die die Wuppertaler gewartet hatten. Wie sieht es mit unseren heimischen Abgeordneten aus? Schaut man in Berlin den Bergischen Politikern auf der Straße hinterher? Reicht da womöglich ein aufreizender Augenaufschlag bei der Fördergeld-Akquise? Die Antwort ist ernüchternd und steht schon im Betreff der Analyse-E-Mail: „Wuppertaler Bundestagsabgeordnete gelten als unattraktiv.“ Ka-bumm! Das muss man erst einmal sacken lassen.

Spätestens an dieser Stelle kommt bei manchem Leser vielleicht die Frage auf, warum man überhaupt auf die Idee kommt, Künstliche Intelligenz mit der Aufgabe zu betrauen, die Wangenknochen von Politikern zu vermessen. Die Antwort liefert die Agentur in ihren einleitenden Sätzen: „Die Währung eines Politikers sind Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit. Verschiedene Studien belegen jedoch, dass auch das Aussehen eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung spielt.“

Wenn der Klick-Finger
so unangenehm juckt

An dieser Stelle sind die Macher der Analyse allerdings beim Brainstorming falsch abgebogen. Es fehlte der Einwand am Konferenztisch, dass das Aussehen eines Politikers sicherlich eine Auswirkung auf die Wahlentscheidung der Bürger hat, aber das dieser Effekt eine schnöde Begleiterscheinung bei dem Kampf um Wählerstimmen ist. Gerade in diesen angespannten Zeiten braucht eine Stadt wie Wuppertal garantiert nicht die schönsten Politiker im ganzen Land - sondern die kompetentesten. Dieses Ranking greift trotzdem zum Mikroskop und sortiert Funktionsträger nach dem denkbar oberflächlichsten Kriterium. Das ist in etwa so sinnvoll, wie ein Lebensmittel-Ranking, bei dem die Produkte gewinnen, die in den schillerndsten Farben aus dem Labor kommen.

Waren bei der Suche nach den attraktivsten Bundestagsabgeordneten also Chaoten am Werk, die sich aus Unbedachtheit im Stil vergriffen haben? Nein, keinesfalls. Solche Rankings haben ein System, denn sie erzeugen Aufmerksamkeit - die große, große Währung unserer Zeit. Und leider lässt sich Aufmerksamkeit nicht nur durch Substanz erzeugen - sehr zurückhaltend formuliert. Wir sind natürlich so gut wie alle schuldig, weil wir im Internet impulsgesteuert durch die Untiefen des Webs klicken. Die Reise geht nicht selten dahin, wo die Farben am schrillsten leuchten. Leider sind wir da nicht viel anders als Motten, die zum Licht fliegen.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir das Ranking von Wuppertals attraktivsten Bundestagsabgeordneten gar nicht reproduziert haben, obwohl die Zahlen ja vorliegen. Hand aufs Herz: Wenn da irgendwo im Netz steht „Das ist Wuppertals unattraktivster Bundestagsabgeordneter“, dann schüttelt man vielleicht mit dem Kopf - aber gleichzeitig juckt es doch im Klick-Finger, oder? In diesem Fall verkneifen wir uns den Impuls aber bewusst und warten geduldig auf die nächsten echten Nachrichten von unseren Bergischen Abgeordneten.

Nun zum Selbsttest. Alle Ergebnisse der Analyse würden Sie hier auf der externen Seite des Urhebers finden. WENN Sie klicken WÜRDEN.