Ehrenamt Wie der Verein Unsichtbar Bedürftigen rund um Wuppertal unter die Arme greift (mit Video)
Wuppertal · Der Verein Unsichtbar half auch dem Obdachlosen A. J., nachdem sein Zelt niedergebrannt wurde. Im Gespräch mit der WZ verraten die Ehrenamtler, was sie antreibt.
Im Oktober brannte das Zelt des Wuppertaler Obdachlosen A. J. ab, angezündet von einem Unbekannten. Fast sein ganzes Hab und Gut hat er dabei verloren, wie etwa Decken und Kleidung. Das Straßenteam vom Verein Unsichtbar war sofort zur Stelle und half A. J., stattete ihn mit einem Zelt, einer Isomatte und einem Schlafsack aus. Der Unsichtbar e. V. engagiert sich für Bedürftige in Wuppertal, im Ennepe-Ruhr-Kreis und Hagen. Dabei sind sie vor allem bis tief in die Nacht hinein unterwegs.
„Bevor du was für dich selber tust, helfe lieber anderen“, hat schon seine Großmutter zu Holger Brandenburg, Gründer und Vorsitzender des Unsichtbar e.V., in seiner Kindheit gesagt. Dieser Leitgedanke prägt ihn bis heute, ist mit ein Grund, warum der Verein Unsichtbar gegründet wurde. Ein Schlüsselereignis gab es dann im Jahr 2014.
„Ich war mit meinem Hund spazieren“, erinnert sich Holger Brandenburg. „Das war so ein fieser, kalter Winter, dass dieser Hund nach Hause wollte“. Doch nicht alle Menschen sind so aufgestellt, haben ein Dach über dem Kopf, ein warmes Zuhause. So hat er sich kurzerhand seinen Rucksack gepackt. „Ich habe einfach eine Stadt ausgesucht, bin nach Essen mit einem Bekannten und habe da Kaffee verteilt, habe mit den Menschen gesprochen und festgestellt, was für tolle Menschen das sind“. Schnell stand für ihn fest, dass er sich weiter für Bedürftige engagieren will, hat ein Konzept entwickelt und den Verein Unsichtbar gegründet.
Sie sind vor allem nachts unterwegs, fahren raus, wenn viele schon schlafen. Mit den leuchtend grünen Fahrzeugen und passenden Jacken sind sie schon aus der Ferne gut zu erkennen. Das Straßenteam von Unsichtbar e.V. fährt zu Stellen, die ihnen von Bürgern gemeldet werden oder ihnen schon bekannt sind, wo sich Bedürftige, Obdachlose oder Menschen an der Grenze zur Armut aufhalten. „Wir gehen bis morgens fünf Uhr auf Meldung raus“, so Brandenburg. Mit viel Herzblut, Wärme und Engagement wird den bedürftigen Menschen – denen am Rande der Gesellschaft – geholfen. „Das sind so magische Augenblicke, die muss man miterleben, um dann zu sagen, dass man nichts anderes mehr machen kann“, erzählt Holger Brandenburg. Denn so war es auch bei ihm.
Wer einen obdachlosen Menschen findet und nicht feststellen kann, ob dieser noch lebt, sollte zur eigenen Sicherheit die Person an den unteren Extremitäten wie den Füßen rütteln, um diese aufzuwecken. Erreichbar ist der Verein Unsichtbar unter 0176-34 34 73 85. Wenn der Verein eine Meldung bekommt, fährt ein Straßenteam los zur gemeldeten Stelle.
Der Verein verteilt auch Taschen an Bedürftige
Die Ehrenamtlichen verteilen warme Getränke, Fünf-Minuten-Terrinen, Iso-Matten, Schlafsäcke, schauen, ob es den obdachlosen Menschen gut geht, was gebraucht wird. „Gerade jetzt im Winter wird es wieder schlimmer. Zurzeit merkt man das nicht so sehr, aber die Nächte sind schon sehr kühl. Und wenn man dann auf dem blanken Beton liegt, kann das schon lebensgefährlich werden“, erzählt Brandenburg. Auch werktags sind sie oft bis ein Uhr nachts unterwegs, obwohl Ehrenamtliche auch tagsüber noch arbeiten gehen.
Darüber hinaus verteilen sie die sogenannten „TOMs“, also „Taschen für obdachlose Menschen“, berichtet Beate Wachsmann, zweite Vorsitzende des Vereins. Sie ist schon seit 2019 im Team. Diese „TOMs“ bereitet sie zusammen mit ihrer Projekt- und Ideengruppe vor, die sich tagsüber trifft. „Für die Erste Hilfe sind da frische Unterwäsche, Socken und T-Shirts, im Winter Langarm-Shirts und nach Möglichkeit, wenn es auf dem Markt verfügbar ist, auch Thermounterwäsche drin“, erzählt Wachsmann. Aber sie verteilen nicht in dem Sinne Lebensmittel und Kleidung wie etwa die Tafel. Vielmehr helfen sie, wo es akut ist, verteilen darüber hinaus Informationen zu professionellen Institutionen, an die sich Bedürftige wenden können, wie etwa die Suchtberatung. Mittlerweile gibt es etwa im Ennepe-Ruhr-Kreis schon eine Kooperation mit der Polizei. „Da würden wir uns für Wuppertal wünschen, dass das genauso eng wird wie in Ennepetal“, so Brandenburg.
Aktuell zählt der Verein 45 Mitglieder, von denen rund zwölf Ehrenamtliche im Straßenteam unterwegs sind. Vor der Pandemie waren dem Verein zehn, elf obdachlose Menschen in Wuppertal bekannt, nun sind sie bei 79 Menschen. Das bedeute aber nicht, dass es hier 79 Obdachlose gibt, betont Holger Brandenburg. Vielmehr haben sie aufgrund ihrer Fahrten in der Nacht mittlerweile 79 Bedürftige im Stadtgebiet kennengelernt. Bei ihrer Tätigkeit passiert es auch häufig, dass die Ehrenamtlichen die Lebensgeschichten der Menschen erfahren. Was Holger Brandenburg hilft, das Erlebte zu verarbeiten, ist seine „Seelenbibliothek“, wie er es nennt. „Da habe ich ein Bücherregal, mit vielen kleinen Fächern, wo jeder seine Geschichte kriegt“. Diese Erfahrung sei etwas ganz besonderes. „Wenn ein obdachloser Mensch, den man nicht kennt, dir nach einer halben Stunde anvertraut, wie sein Leben ist, dann ist das eine wunderbare Ehre“, sagt Brandenburg. Ganz wichtig bei diesem Ehrenamt: „Man muss ein riesengroßes Herz haben“, so Brandenburg. Wer sich ehrenamtlich bei Unsichtbar engagieren will, kann sich bei Holger Brandenburg unter 01 76-34 34 73 85 oder per Mail an info@unsichtbar-ev.de melden.
Der Verein finanziert sich über Spenden. Wer Unsichtbar e.V. unterstützen will, kann etwa per Überweisung oder Paypal direkt an den Verein spenden.