„Wir müssen uns um die Jungen kümmern“
Bildungsforscher Klaus Hurrelmann zu aktuellen Aufgaben von Schule und Bildungssystem.
Am Dienstag besuchte Bildungsforscher Klaus Hurrelmann auf Einladung der Schüler das Carl-Fuhlrott-Gymnasium. In der Diskussion mit ihnen betonte er die Notwendigkeit, frühkindliche Bildung weiter auszubauen, echte Ganztagsschulen einzurichten, und schlug vor, Jungen und Mädchen auch mal vorübergehend getrennt zu unterrichten. Die WZ sprach mit ihm über aktuelle Aufgaben von Schule und Bildungssystem.
Herr Professor Hurrelmann, welches sind die derzeit anstehenden Themen im Bereich Schule und Bildung?
Klaus Hurrelmann: Viele Themen gehören dazu, unter anderem die soziale Ungleichheit, die immer noch Auswirkungen auf den Schulerfolg hat. Auch das Thema Jungen und Mädchen in der Schule. Die Frauen machen es vor, wie heute moderne Geschlechterrollen aussehen können: Sie sind flexibel und beweglich in ihrer Geschlechterrolle, meist besser gebildet. Die männliche Rolle gestaltet sich nur langsam um, die Männer müssen sehen, dass sie Anschluss finden. In den 60er und 70er Jahren war es ein großes Thema, dass die Mädchen zurückliegen, jetzt haben wir fast das Gegenteil. Das ist auch eine Form sozialer Ungleichheit. Da ist zu wenig getan worden in den letzten Jahren. Wir müssen uns um die Jungen kümmern.
Was hat soziale Ungleichheit mit Bildung zu tun?
Hurrelmann: Soziale Ungleichheit ist zugleich eine Diskussion über Armut. Es ist ethisch nicht vertretbar, dass wir es als reiches Land nicht schaffen, arme Menschen in eine bessere Position zu bringen. Im internationalen Maßstab sind die Menschen bei uns nicht arm, aber sie fühlen sich arm. Daran etwas zu ändern, ist Aufgabe der Sozialpolitik. Mit Bildung hat das zu tun, dass der Bildungsgrad in Deutschland immer noch stark mit der Herkunft zu tun hat. Materielle Armut ist leider häufig auch Bildungsarmut.
Was sind darüber hinaus große Aufgaben der Schule in nächster Zeit?
Hurrelmann: Den Umgang mit anderen Kulturen und die Integration der Flüchtlinge sowie die Inklusion. Das sind Riesenthemen, aber da ist noch nicht viel passiert. Bei den Flüchtlingen waren wir unvorbereitet, aber es gab viel guten Willen. Alle haben getan, was sie konnten. Das muss jetzt weiterentwickelt werden.
Bei der Inklusion hätten wir nicht unvorbereitet sein müssen.
Hurrelmann: Da war vieles nicht durchdacht. Da muss man nochmal nachdenken. “ S. 24