Wo Zäune die Ausnahme sind

In Sondern fühlen sich die Menschen wohl und loben die gute Nachbarschaft. Wer dort wohnt, ist allerdings aufs Auto angewiesen.

Foto: Siedlergemeinschaft

Manchmal, erzählt Silvia Wolf, stehe schon mal ein Reh auf ihrer Terrasse. Auch Wildschweine verirren sich dann und wann in die Siedlung. Wer in Sondern wohnt, lebt damit. Und das gerne. „Nur ein Auto sollten Sie schon haben“, sagt Udo Ravenstein und schmunzelt. Sonst, das räumen er und seine Nachbarn ein, sei man schon ein bisschen aufgeschmissen. Doch die Vorteile, so mitten in der Natur, würden ganz klar überwiegen. Vor allem die gute Nachbarschaft sei ein echter Trumpf. „Die meisten haben hier gar keine Zäune zum Nachbargrundstück.“

Foto: Anna Schwartz

Wer nach Sondern will, muss erstmal raus aus Beyenburg, Richtung Windfoche, und dann rechts abbiegen. 180 Häuser liegen mittlerweile dort. Die ersten gut 50 entstanden in den 1930er Jahren. Was war davor? „Fangen Sie jetzt nicht mit der Pulverfabrik an“, sagt Jochen Wolf, Vorsitzender der Siedlergemeinschaft, lachend. Denn die Historie ist, zumindest vermeintlich, explosiv: Auf dem Grund der heutigen Häuser stand über Jahrzehnte eine Pulver- und Sprengstofffabrik. Das war eigentlich kein Geheimnis, doch in die Öffentlichkeit rückte das Thema noch einmal richtig vor ein paar Jahren, als der Umbau des Sportplatzes Sondern, auf dem vor allem der TSV Beyenburg kickt, anstand. Plötzlich waren mögliche Altlasten ein Thema, die Anekdote, dass die Fabrik in den 1920er Jahren „einfach in die Luft geflogen“ sei, machte die Runde. Am Ende, so Wolf, gab es dann aber Entwarnung. „Alles in Ordnung.“

Foto: Anna Schwartz

Von den Häusern, die in den ersten Jahren in Sondern entstanden, „ist eigentlich keins mehr im Urzustand“, erklären die Siedler. Immer wieder wurde mal an- oder auf den ursprünglich sehr großen Grundstücken neugebaut. Schließlich ging es ursprünglich darum, dass die Siedler sich selbst versorgen, dafür zum Beispiel auch Nutztiere halten. Später gab es aber sogar einen kleinen Supermarkt in Sondern, eine Metzgerei und eine Kneipe. „Wir hatten eigentlich alles. Es war wie eine kleine Stadt früher“, sagt Jochen Wolf. Das „früher“ betonen die Nachbarn gerne, denn heute gebe es praktisch nichts mehr. Wer einkaufen will, fährt meistens nach Schwelm, weil auch Beyenburg in Sachen Nahversorgung nichts mehr bieten kann. Dass sich noch mal ein Supermarkt dort ansiedeln wird, sehen die Siedler nicht. „Keine Chance.“

Sondern hatte zuletzt noch einen Kiosk, den Ursel Hagemann Betrieb. Aber das habe sich nicht mehr rentiert. Dass die Siedler daran nicht ganz unschuldig seien, verhehlen sie nicht. „Manchmal kamen abends Leute zu mir, die hatten die Zigaretten schon woanders gekauft und wollten von mir dann nur noch die Streichhölzer“, erinnert sich Hagemann. Mit ähnlichen Problemen hätten auch die kleinen Supermärkte zu kämpfen, wenn der Großeinkauf dann doch woanders erledigt wird. Also bleibt für die Siedler nur das Auto.

Zumindest, was die Kneipe angehe, gebe es aber Ersatz: das 2016 eingeweihte Vereinsheim des TSV. „Das wird gut angenommen“, sagt Wolf. Überhaupt sei das Verhältnis zum Sportverein freundschaftlich. „Wir sind froh, dass die hier sind.“ Und seit kurzem gibt es auch wieder einen Siedlertreff: das Gemeinschaftshaus des ehemaligen Schützenvereins „Einigkeit“.

Die Fluktuation in der Siedlung sei gering. Wenn mal ein Haus frei werde, „ist es auch schnell wieder weg“. Oft bleibe es in der Familie, wenn der Enkel zum Beispiel mit seiner Familie wieder nach Sondern ins Haus der Eltern ziehe oder dort baue. Natürlich fahre man selbst auch mal gerne in die Stadt, erzählt Hagemann und lacht. „Um mal unter Menschen zu sein.“ Doch, darin sind sich alle einig, komme man immer gerne nach Sondern zurück.