Wirtschaft Wuppertal: Gesunkene Ladenmieten als Chance?

Eine Erhebung zeigt, dass die Preise eingebrochen sind – doch einige sehen darin auch Möglichkeiten für die Zukunft.

Neue Konzepte könnten die City wieder attraktiv machen.

Foto: Fischer, Andreas

Galeria Kaufhof in Elberfeld ist wohl das prominenteste Beispiel für alteingesessene Geschäfte, die in Wuppertal schließen. Gerade die älteren Bürger werden zahlreiche Beispiele von Traditionsgeschäften nennen können, die es nicht mehr gibt. In Elberfeld und Barmen nehmen die Leerstände beinahe täglich zu. Gefühlt wirkt sich das auf die Attraktivität der Innenstadt aus. Ob sich das auch in Zahlen belegen lässt, hat der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Wuppertal untersucht und eine umfangreiche Erhebung der Ladenmieten durchgeführt. Das Ergebnis: Seit der letzten Untersuchung im Jahr 2011 sind die Ladenmieten deutlich gesunken. Doch das muss gar kein schlechtes Zeichen für die Zukunft der City sein, meinen Händler und die Industrie- und Handelskammer.

Zum Hintergrund: In das Ergebnis des Gutachterausschusses eingeflossen sind Daten zu Büro-, Laden- und Praxismieten in Elberfeld, Barmen und den Nebenzentren. Die Mieten in der Elberfelder Innenstadt, im Bereich der Alten Freiheit, sind zwischen zehn und 15 Prozent gefallen. Hier liegt die Durchschnittsmiete für ein Ladenlokal zwischen 50 und 70 Euro je Quadratmeter. Größer fallen die Rückgänge in den Lagen Wall, Neumarkt bis hin zum Von-der- Heydt-Platz aus. Hier sind seit 2011 die Mietpreise um 30 bis 50 Prozent eingebrochen. In der Barmer Innenstadt sieht die Situation nicht anders aus: Im Bereich Werth sind die Mieten zwischen 25 und 40 Prozent gefallen. Die Durchschnittsmiete liegt am Alten Markt um die 40 Euro pro Quadratmeter, im östlichen Bereich an der Werther Brücke bei 15 Euro pro Quadratmeter. Vergleichsweise in Ordnung ist die Welt der Vermieter noch im westlichen Bereich der Elberfelder Innenstadt. Im Luisenviertel sind die Mieten seit 2011 nur zwischen fünf und zehn Prozent gefallen und bewegen sich zwischen neun und 15 Euro pro Quadratmeter.

Dem Bürgermeister
machen die Preise Hoffnung

Thomas Kring (SPD) ist Bezirksbürgermeister in Elberfeld und betreibt als Einzelhändler einen Wein- und Sektladen im Luisenviertel. Für ihn sind die gesunkenen Mietpreise erst einmal ein Zeichen dafür, dass die Vermieter realisiert haben, dass heute nicht mehr alle Mietpreise aufgerufen werden können, auch in vermeintlichen 1A-Lagen nicht mehr. „Durch überteuerte Mieten werden bestimmte Wirtschaftszweige auch aus den Innenstädten verdrängt. Und das ist sehr schade“, sagt er. Die nun gesunkenen Preise geben ihm Hoffnung, dass wieder mehr Einzelhandelsmix in die Wuppertaler Innenstadt kommt. „Ich begrüße diese Entwicklung. So bekommen die Händler auch wieder die Chance, einmal etwas auszuprobieren, ohne gleich an hohe Mieten gebunden zu sein“, sagt er.

Die Bergische Industrie- und Handelskammer (IHK) interpretiert die neuen Zahlen ebenfalls nicht als zwingendes Zeichen für die gesunkene Attraktivität speziell der Wuppertaler Innenstadt. „Die Preise sinken, wenn die Nachfrage sinkt. Und das ist seit Jahren durch Corona und den wachsenden Online-Handel in vielen Städten der Fall“, ordnet IHK-Einzelhandelsexpertin Daria Stottrop ein. Auch die Baustellensituation hätte wahrscheinlich keinen starken Einfluss auf die Mietpreise gehabt, denn: „Im Einzelhandel sind Langzeitmietverträge über fünf oder noch mehr Jahre üblich. Darum zeigen sich Änderungen eher zeitversetzt“, so Stottrop. Zudem sei in den vergangenen Jahren in Wuppertal die Einzelhandelsfläche stark ausgebaut worden, zum Beispiel mit dem Primark-Gebäude am Döppersberg. Dadurch gebe es heute ein Überangebot an Flächen.

Jahrelang sind die Preise in den Innenstädten eher gestiegen, nun müssen die Vermieter eine bittere Pille schlucken und ihre Preise nach unten korrigieren. Die IHK-Expertin hofft, dass sie das auch machen werden. „Wenn die Vermieter nicht von ihren hohen Forderungen abrücken, dann droht weiterer langfristiger Leerstand in der Innenstadt. Darunter leidet dann natürlich die Attraktivität und der Standort verschlechtert sich insgesamt“, sagt sie. Dennoch könnte das Ruder der Abwärtsspirale herumgerissen werden, wenn die Vermieter ein Einsehen haben. Dabei geht es Stottrop nicht nur um die gesunkenen Mieten, sondern die Vermieter sollten auch nicht an jeden vermieten, der bereit ist, den geforderten Preis zu zahlen. Wenn alle darauf achten würden, dass in der Stadt ein gesunder Mix präsentiert wird, würden auch alle profitieren. Die Stadt müsste zudem mehr kommunizieren, wie schön es einmal werden wird, wenn die Baustellen Geschichte sind. Als Beispiel nennt sie ebenfalls den Döppersberg, der ein Zeichen für gelungene Planung sei.

Dass die Innenstädte einmal wie früher voll von Einzelhandel sein werden, daran glaubt wohl niemand. Aber eine Mischung aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie und Kultur könnten eine neue Attraktivität schaffen. Das hält Thomas Helbig, Geschäftsführer der ISG Barmen-Werth, durchaus für möglich und glaubt an die Vermieter: „Meine Erfahrung zeigt, dass die Vermieter an Lösungen interessiert sind und vor allem an langfristigen Mietern“, sagt er.

Dass diese auch in Zukunft immer aus dem Einzelhandel kommen, das sieht auch er eher als unwahrscheinlich an. Für Helbig ist nun die Stunde für neue Konzepte gekommen. Als Beispiel nennt er das Schwebodrom am östlichen Ende des Werths. „Wir können den generellen Trend, dass der Einzelhandel in den Städten stark zurückgeht, nicht stoppen. Aber solche neuen Konzepte locken trotzdem Menschen und auch Touristen in die Stadt. Und diese kaufen dann auch hier ein und besuchen die hiesige Gastronomie. Wir müssen die Zukunft aktiv gestalten und das Beste aus der Situation machen“, sagt er.