Adventskalender: Wir hier im Quartier Wuppertal Oberbarmen-Schwarzbach: Zwischen Jugendstilbau und Brennpunkt

Wuppertal · Oberbarmen-Schwarzbach gilt als Viertel mit schlechtem Ruf – doch es gibt auch schöne Ecken.

Ekrem Kanat verkauft Obst und Gemüse. Er mag es, dass im Viertel so viele verschiedene Nationen zu Hause sind.

Foto: Ja/Fischer, Andreas

Ein Viertel zwischen Jugendstilbau und Brennpunkt, zwischen Gemüsemärkten und verlassenen Kneipen, deren Fenster mit Holzplatten vernagelt sind, mit modernem Kita-Bau und heruntergekommenem Industriegelände: Oberbarmen-Schwarzbach ist ein typisches Zuwandererviertel, wie es jede deutsche Großstadt hat. Hier weht der Multikulti-Flair zwischen Jobcenter und leer stehenden Ladenlokalen, zwischen indischen Spezialitäten und Baklava.

Die alles dominierende Berliner Straße, an deren Rand sich zwischen Wupperfelder Markt und Berliner Platz die Lebensmittelgeschäfte und Gemüsemärkte säumen, ist fest in migrantischer Hand. Der Berliner Platz gilt als Kriminalitätsschwerpunkt in der Stadt. Für viele ist er ein Angstraum. „Oberbarmen hat einen schlechten Ruf, das Bürgertum findet es nicht gerade schick hier“, sagt Historiker Heiko Schnickmann. Er lebt seit seiner Kindheit in Wichlinghausen – und das sehr gerne, wie er sagt. Er konnte über Jahre die Entwicklung des Viertels verfolgen. „Früher gab es viele verschiedene Geschäfte, auch Bekleidungsgeschäfte an der Berliner Straße und in den Seitenstraßen“, erinnert er sich.

Heiko Schnickmann lebt seit seiner Kindheit in Oberbarmen.

Foto: nn/ANNA SCHWARTZ

Mittlerweile ist die Vielfalt fast ausschließlich Obst und Gemüse gewichen. Eine Buchhandlung ist noch eines der letzten alteingesessenen Geschäfte, das sich wacker hält. Imbissbuden und Restaurants bieten Speisen aus allen Ländern und bilden die Struktur des Viertels ab, in dem mit einem Migrantenanteil von etwa 60 Prozent rund 100 Nationalitäten zu Hause sind. „Es ist schön, dass hier so viele Herkunftsländer vertreten sind, sie treffen sich beim Einkaufen oder in den Cafés. Hier kommen viele nette Menschen zusammen“, sagt Ekrem Kanat, der in einem der Gemüsemärkte arbeitet.

Erschwingliche Mieten machen Oberbarmen-Schwarzbach zu einem jungen Viertel, was den Altersdurchschnitt der Bewohner angeht. Aber auch zu einem mit viel Fluktuation. Lieblos überklebte Klingelschilder an den Türen zeugen davon, dass viele nicht lang bleiben wollen. Die Hausbesitzer haben längst aufgegeben, die Graffitischmierereien von den Wänden zu entfernen. Zwischendrin finden sich bei genauerem Hinsehen aber auch gepflegte Jugendstilbauten, die den Charme Wuppertals ausmachen. Sie sind Zeitzeugen einer Epoche, in der das Viertel noch blühte. „Oberbarmen war schon immer ein Viertel der Zugezogenen. Um 1900 etwa kamen pro Jahr rund 1000 Menschen hinzu, alle wollten hier arbeiten, Wuppertal gehörte neben Leipzig zu den reichsten Regionen“, erklärt Schnickmann. In Rekordzeit wurden damals Häuser gebaut, um mehr Wohnraum zu schaffen. Die Immanuelskirche der reformierten Gemeinde Barmen-Gemarke hatte eine Bauzeit von lediglich zwei Jahren. Heute haben sich die Gemeinden mehr und mehr zurückgezogen.

Insbesondere im oberen Bereich, rund um Normannen- und Langobardenstraße, stehen die schönsten Häuser aus dieser Zeit. Dort herrscht eine andere Welt, Stille, vom Trubel der Berliner Straße ist nichts zu hören. „Unten ist die Stadt, und oben die Ruhe, das macht das Viertel aus. Ich finde, hier kann man gut Leben und ist trotzdem ideal mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden“, schätzt Schnickmann an seinem Viertel besonders.

Als ein Stadtteil mit Potenzial könnte Oberbarmen bezeichnet werden. Aufgrund seiner Sozialstruktur ist Oberbarmen Teil des Städtebauförderprogramms „Sozialer Zusammenhalt“, mit dem die Wohn- und Lebensqualität des Viertels gesteigert werden soll. Doch aus der Ruine der ehemaligen Luhns Seifenfabrik wachsen Bäume aus den Rissen in der Fassade. Das alles dominierende Jobcenter nebenan hat einen Gebäudeteil für sich saniert. Der Rest bleibt verfallen, wie so vieles im Viertel. „Hier könnte bestimmt etwas Gutes entstehen. Aber das braucht eine Idee und sehr viel Geld“, so Schnickmann. Geld ist es aber, das fehlt.