Jugendrat „An der Jugend gibt es kein Vorbeikommen“

Anna Hußmann und Samuel Striewski über ihre Erfahrungen im Jugendrat.

Samuel Striewski (18) und Anna Hußmann (22).

Foto: striewski

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich für den Jugendrat beworben haben?

Samuel Striewski: Ich habe den Brief von der Stadt bekommen und wollte es probieren.

Anna Hußmann: Tatsächlich habe ich drei Jahre zuvor überlegt, mich aufstellen zu lassen.

Welche Stärken sollte man als Jugendratsmitglied mitbringen?

Striewski: Ausdauer in Diskussionen und längeren Arbeitsphasen, genug Zeit, eigene Ideen – den Rest lernt man.

Hußmann: Ich finde, dass man gar keine Vorkenntnisse braucht: Solange man engagiert ist, kann man in alle Aufgaben hineinwachsen.

Sind Sie zufrieden mit dem, was der Jugendrat während Ihrer Amtszeit geleistet hat?

Striewski: Wir haben nicht erwartet, die politische Landschaft maßgeblich zu verändern, aber jeder gelungene Auftritt gegenüber den erwachsenen Politikern zeigt: Auch wir Jugendlichen wollen unsere politischen Interessen einbringen.

Hußmann: Besonders stolz können wir auf unsere eigenen Projekte, wie die Beratungsstelle an der Plateniusstraße oder das Ferienprogramm mit geflüchteten Jugendlichen zurückblicken.

Lief etwas nicht so gut?

Striewski: Eigentlich nicht. Schwierig finde ich es nur, alle Einzelinteressen zu respektieren und dennoch auf einen Nenner zu kommen, ohne sich an Einzelheiten aufzuhängen.

Das Jugendcafé JiM wurde 2015 vom Jugendrat eröffnet. Aufgrund von Pöbeleien vor dem Gebäude wurde es letztes Jahr geschlossen. Was meinen Sie: Sind die Jugendlichen selbst schuld?

Striewski: Hier muss man zwischen dem unangemessen Verhalten einzelner gegenüber dem vieler unterscheiden. Die meisten JiM-Besucher haben den Nachmittag dort friedlich verbracht.

Hußmann: Nur weil sich einige Jugendliche nicht benehmen können, müssen nun alle auf einen tollen Treffpunkt verzichten. Besagte Jugendliche sind zu Auseinandersetzungen bereit. Gerade dann ist es wichtig, sie mit Hilfe von Sozialarbeitern aufzufangen.

Gibt es noch Hoffnung, dass das JiM an einem abgelegeneren Ort eine Neueröffnung feiert?

Hußmann: Das liegt leider nicht mehr in unserer Hand. Es gibt wohl Bestrebungen des Jugendamtes, ein neues JiM zu schaffen, aber ob das letztlich klappen wird, weiß ich auch nicht.

Sicher verbringt man mit der Tätigkeit für den Jugendrat viel Zeit. Hätten Sie manchmal lieber für eine Klausur gelernt oder einfach nichts gemacht, als in einer BV-Sitzung zu sitzen?

Hußmann: Gerade in der BV habe ich gerne die Jugend vertreten. So lange man gehört und ernst genommen wird, nehme ich mir die Zeit gerne.

Striewski: Wenn diskutiert wird, welcher Baum wo steht und in welcher Straße ein Abguss fehlt, frage ich mich manchmal schon, was mich das angeht. Im zweiten Moment realisiere ich allerdings, dass wir Jugendliche auch davon betroffen sind.

Der Jugendrat kann mittlerweile neben Stellungnahmen und Empfehlungen auch Anträge an den Stadtrat richten. Ist das Mitspracherecht des Jugendrats nun ausreichend und wird die Jugend in der Politik ernst genug genommen?

Striewski: Das ist zwar ein Erfolg, aber ohne Stimmrecht sind wir immer noch mehr Berater als Repräsentative der Jugendlichen. Warum können wir nicht zumindest bei Belangen der Jugendlichen das Stimmrecht kriegen? Damit würde die Bedeutung des Jugendrats und die der Jugendlichen im allgemeinen enorm steigen.

Hußmann: Die Politik muss überhaupt einsehen, dass es an der Jugend kein Vorbeikommen gibt. Wir müssen schließlich morgen die Konsequenzen der heutigen Entscheidungen tragen. Zwar sind wir dankbar dafür, was der Jugendrat bietet, aber es gibt immer noch viel zu tun.

Sie stehen im Jugendrat engagiert für die Verbesserung der Lebensqualität von Jugendlichen. Dennoch lag bei den vergangenen beiden Wahlen die Beteiligung unter fünf Prozent. Warum wählen so wenige Wuppertaler Jugendliche ihre eigene Vertretung?

Striewski: Eine höhere Wahlbeteiligung würde die Gewichtung des Jugendrates erhöhen und das wiederum den politischen Einfluss, den wir als Jugendliche brauchen. Hieraus folgt eine höhere Wahlbeteiligung und so weiter. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.

Treten Sie im November wieder zur Wahl an und wie wollen Sie sich weiter politisch engagieren?

Striewski: Ich will Platz für neue Kandidaten machen, möchte mich aber in naher Zukunft in der Parteienlandschaft umsehen und mich weiter in die Politik einmischen.

Hußmann: Auch ich will meinen Platz für neue Gesichter räumen. Erst im Juli wurde ich erneut ins Sprecherteam des Kinder- und Jugendrates NRW gewählt und werde dort noch meine Amtszeit zu Ende führen. Dann möchte ich mich aber aus der überparteilichen Arbeit verabschieden und mich auch klarer politisch positionieren.