Enkeltrick & Co. Wuppertaler Kommissar: Mit diesen Maschen wollen Betrüger an das Ersparte

Wuppertal · Aktuell häufen sich Betrugsfälle. Der Wuppertaler Polizist Michael Schroer erklärt, wie die Täter vorgehen - und wie man sich schützen kann.

Kriminalhauptkommissar Michael Schroer im Gespräch mit WZ-Redakteurin Katharina Rüth.

Foto: Tim Oelbermann

Plötzlich ist das Geld weg – manchmal das gesamte Vermögen, das das Auskommen im Alter sichern sollte. Dabei wollten sie nur einem Verwandten in Not helfen. Aber sie sind auf skrupellose Betrüger hereingefallen. Die sich als Enkel ausgeben. Oder Polizisten, die sie vor einem angeblich geplanten Verbrechen schützen wollen. Was das mit den Menschen macht, denen so mitgespielt wird, wie die Betrüger vorgehen und wie der Betrug organisiert ist, erklärt Kriminalhauptkommissar Michael Schroer vom Kommissariat Kriminalprävention/Opferschutz des Polizeipräsidiums Wuppertal im WZ-Gespräch.

Aktuell häufen sich wieder die Fälle im Bergischen Städtedreieck, in denen es Betrügern gelingt, Menschen am Telefon so zu manipulieren, dass sie Geld und Wertgegenstände herausgeben – in dem Glauben, dass das alles seine Richtigkeit hat.

So wurde am 5. Oktober eine 87-jährige Wuppertalerin von einer Frau angerufen, die sich als ihre Tochter ausgab. Sie habe bei einem Unfall eine schwangere Frau getötet, brauche Geld für eine Kaution. Die schockierte Seniorin übergab eine hohe Geldsumme. Ein Tag zuvor war ein Mann angerufen worden, die Anruferin gab sich als Schwester aus, erzählte die gleiche Geschichte. Der Mann übergab später Bargeld, Gold und Schmuck. Eine Ärztin mittleren Alters ließ sich durch einen solchen Schockanruf dazu bewegen, einen Goldbarren im Wert von rund 60 000 Euro zu übergeben.

Auch per Handynachricht melden sich die Betrüger: Am 17. Oktober schrieb angeblich der Sohn einer Remscheiderin (60) eine Handy-Nachricht mit der Bitte um Geld. Die 60-Jährige wurde zum Glück misstrauisch und wandte sich an die Polizei. Am gleichen Tag konnten Betrüger aber einen 79-jährigen Wuppertaler täuschen. Er glaubte, dass ihm seine Tochter eine Nachricht schickt und um eine vierstellige Summe bittet. Er überwies das Geld.

Nur fünf Beispiele von vielen. Im Jahr 2021 sind der Polizei in NRW 37 000 Betrugsversuche dieser Art bekannt geworden, man geht von einer hohen Dunkelziffer aus. In mehr als 2000 Fällen davon waren die Täter erfolgreich. Von diesen erbeuteten sie zwischen 1000 und 500 000 Euro, insgesamt die unglaubliche Summe von rund 30 Millionen Euro.

Wird den Opfern der Betrug bewusst, seien sie oft sehr betroffen, berichtet Schroer. Das verlorene Geld hätte den Lebensabend sichern sollen, war Notgroschen, der Verlust gefährde manchmal die Existenz. „Manche fallen in ein tiefes Loch“, sagt Schroer. Sie hätten Personen auch schon in psychotherapeutische Behandlung vermittelt.

Schocknachrichten verhindern rationales Handeln

Die Betrüger arbeiten rhetorisch geschickt, es gelingt ihnen, das Vertrauen der Opfer zu erschleichen. Typisch sei die Frage am Telefon: „Weißt du, wer hier ist?“ Wer dann frage: „Bist du‘s, Klaus?“ liefere weitere Informationen. Auch die Schocknachricht, etwa von einem angeblichen Unfall, bei dem jemand getötet wurde, weswegen der Angehörige in Haft soll, sei ein bewusstes Mittel. „Die Menschen können dann nicht mehr rational handeln.“

Auch als angebliche Polizisten gelingt es den Tätern, Menschen zu täuschen. Sie nutzen etwa die Geschichte, dass bei gefassten Einbrechern die Adresse des Angerufenen gefunden wurde, jetzt Geld und Wertsachen in Gefahr seien, diese besser der vermeintlichen Polizei in Verwahrung gegeben werden sollten. Und weil ein Bankmitarbeiter ebenfalls ein Verbrecher sei, müsse der Angerufene sein Geld von der Bank holen.

Dabei werden die Opfer über lange Zeit, manchmal Stunden am Telefon gehalten und unter Druck gesetzt. Indem per Festnetz und Handy mit ihnen telefoniert wird, verhindern die Täter das Einmischen von Dritten. Relativ neu ist die Masche mit Handynachrichten, bei denen eine Online-Überweisung per Handy verlangt wird.

Gesteuert werden die Betrugstaten von Callcentern im Ausland, etwa in der Türkei oder Afrika, so Schroer. Von dort würden gezielt Nummern aus dem Telefonbuch angerufen, meist Einträge mit Namen, die auf ein höheres Alter schließen lassen: „Es wird selten ein Kevin Müller angerufen, eher ein Johann Müller.“

Ist ein Opfer bereit, Geld zu übergeben, werden Abholer geschickt. Diese geben das Geld an eine nächsthöhere Instanz, bis es an die Haupttäter gelangt. Diese zur Verantwortung zu ziehen, sei sehr schwierig. Vor zwei Jahren ist es trotzdem gelungen, mehrere Callcenter in der Türkei hochzunehmen, berichtet Schroer.

Die Polizei setzt auf Aufklärung. Schoer rät: Niemals auf Whatsapps oder andere Handynachrichten antworten oder zurückrufen, wenn man die Nummer nicht kennt. Nicht raten, wer am Telefon ist, besser selbst den angeblichen Absender unter der bekannten Nummer anrufen. Wenn am Telefon nach Geld oder Wertgegenständen gefragt wird, sofort auflegen und Angehörige informieren. Keine Auskünfte über Geld und Vermögen geben, niemals Geld und Wertgegenstände an Fremde geben. Sich nicht unter Druck setzen lassen. Auf jeden Fall die Polizei informieren. Und das einfachste: Aus dem Telefonbuch löschen lassen. Sein Appell an jüngere Menschen: „Sprechen Sie mit älteren Angehörigen über das Thema, um sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen.“