Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Innehalten, Staunen und Tun

Wuppertal · Uta Atzpodien schreibt in ihrer aktuellen Kolumne über drängende Herausforderungen unserer Zeit.

Uta Atzpodien

Foto: Ralf Silberkuhl

„Was bleibt von uns, wenn alles, was wir kannten, untergeht?“ heißt es zu Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“. Mit ihrer unverwechselbaren sprachlichen Poesie, ihrem Feinsinn für skurrile Eigenwilligkeiten entführt die Autorin nach Norddeutschland, in eine raue Gegend auf dem Land. Literatur kann so einzigartig Kultur vermitteln, Brücken bauen zu Orten, Menschen und uns alle bewegenden Fragen. Mich begleitet Hansens Buch bei ein paar Tagen Auszeit an der See, in Husum, dem Geburtsort der Autorin, fern meiner Heimat Wuppertal.

Schon vorher, in der Zeit zwischen den Jahren, in den ersten Tal-Tagen im Neuen, das langsam Fahrt aufnimmt, wurde spürbar, wie wichtig Momente des Durchatmens sind. „Innehalten und Staunen“ hieß es kürzlich in einem Radiobericht, um jene Augenblicke zu umschreiben, die uns sinnlich und tief erfahren lassen, was uns wirklich wichtig und von Bedeutung ist. An der See, in der Natur, beim Lesen, Musik hören, erlebe ich es. Erfahre es, wenn Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind, auch Prominente, uns verlassen: so wie jüngst der brasilianische Fußballer Pelé, der Menschen allen Alters mit seiner Kunst beeindruckt und sie wie kein anderer miteinander verbunden hat, oder die provokative, visionäre und wunderbar beharrliche Punk-Designerin Vivien Westwood mit all ihren Aktionen.

 Kriege, Klimakatastrophen und wachsende Polarisierungen der Gesellschaft stellen uns weltweit vor drängende Herausforderungen. All diese bedrohlichen Erfahrungen gehen einher mit einer sich überschlagenden Schnelllebigkeit. Mir nimmt all dies immer wieder den Atem. Zugleich erlebe ich klare Haltungen und Handlungen, die auf Gemeinschaftlichkeit aufbauen. „Bottom up“ finde ich sie viel eher als in Führungsebenen. In seinem jüngst veröffentlichten Gedicht „Sich einen Reim machen. Auf die neue Freundlichkeit“ schreibt Satiriker Thomas Gsella über die aktuell zerreißenden Kluften zwischen den Menschen. Wie können wir ihnen begegnen? Welche konkreten Möglichkeiten bieten sich, um Generationen und Kulturen noch mehr miteinander zu verbinden? Die letzten Kolumnen von Freies Netzwerk Kultur haben dies thematisiert.

Wie kann das Anliegen, das „Die letzte Generation“ und Klima-Aktivisten zurecht antreibt, als Ansporn genommen werden, um all unsere Möglichkeiten zu nutzen und wahrhaft etwas für eine zukunftsfähige Generation verändern?

 In der Küche der Pension „Blaues Haus“ hier in Husum lese ich einen Satz von Christian Morgenstern: „Versuchen wir uns doch einmal entschieden auf die Seite des Positiven zu stellen, in jeder Sache.“ Ja, das kann uns in all dem Desaster erden, im planetaren Wirbel. Wie können wir immer wieder neu versuchen, Räume zu öffnen, für das, was uns weiterbringt und uns verbindet? Ganz vielseitig können Natur, Kunst, Kultur und (kulturelle) Bildung dies befördern. Im Grunde ist es dringend notwendig, sich überall in der Gesellschaft zu manifestieren. Wenn wir das „Innehalten und Staunen“ als Sprungbrett mit einem zukunftsfähigen Tun verbinden, können wir mögliche Experimentier-Räume dafür noch mutiger nutzen. Viele sind mitten im Tun, ob kürzlich „und.jetzt! Kunst Kultur Klimanotstand“ in der Färberei, um Kollaborationen und Netzwerke auszuloten, all die Aktiven, wie das K4 – Theater für Menschlichkeit, Utopiastadt, Loch, der Insel, freies Netzwerk Kultur, Kulturrat, Eintopf und so viele andere, mit all den mühevollen Aufgaben, die konkret anstehen.

Daher, geschätzte Politik, Verwaltung, Presse und Menschen der Stadt: Mutige Unterstützung tut gut im mutigen Tun. Ideen und Rückmeldungen zu den Kolumnen: