Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Interventionen für Verständigung und Würde

Wuppertal · Kunst und Kultur als Wegweiser für eine kreative Stadtentwicklung.

Uta Atzpodien

Uta Atzpodien

Foto: Ralf Silberkuhl

Beim Blick von Hügel zu Hügel, der Wuppertal so eigen ist, jagen sich Gewitterwolken dunkel am Horizont: Bedrohlich wirken sie, wie die gesamte Lage unserer Gesellschaft. Von rauen Anfeindungen begleitet hat die Europawahl bestürzt, ihr Resultat nicht überrascht. Auch sie hält uns einen Abgrund vor Augen, auf den wir zurasen, wie UN-Generalsekretär António Guterres mit Blick auf den Klimawandel mahnte. Die drohende Aushöhlung unserer Demokratie trägt dazu bei: Unsere vielfältige Gesellschaft steht unter enormen Druck.

Der Frage „Post-Polarisierung?“ widmete sich der 12. Kulturpolitische Bundeskongress Ende letzter Woche in Berlin. In den Debatten wurden drängend-notwendige Aushandlungsprozesse thematisiert. Kontinuierliche Räume für Selbstreflektion sind gefragt, die uns lehren, mit verschiedenen Positionen umzugehen: ein Tanz mit der Ambiguitätstoleranz. Kurz vor unserem „Literatur auf der Insel“-Abend mit dem renommierten Intellektuellen Navid Kermani erschien sein Artikel „Über die Menschenwürde“ in der Wochenzeitung „Zeit“. Hier erinnert er eindringlich, wie schon in seiner Rede vor dem Bundestag im Jahr 2014 daran, dass die Menschenwürde im Artikel 1 unseres Grundgesetzes verankert ist. Wo vermag die Würde es, in den omnipräsenten Konflikten und Herausforderungen Wege zu weisen? In politischen und globalen Konflikten ist sie ebenso elementar wie in den alltäglichen, zwischenmenschlichen Momenten.

Kunst, Kultur und kulturelle Bildung vermögen es, uns zu berühren und in ihren vielschichtigen Erscheinungsformen Würde und Verständigung zu fördern und möglich zu machen. Auf dem Bundeskongress wurden sie als „Maschinenraum des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ umschrieben. In mir schwingt der kürzlich zum zehnjährigen Bestehen des Wuppertaler Tanzfilm-Vereins „Tanzrauschen“ gezeigte Film „Dancing Heartbeats“ nach, der drei B-Girls zeigt, die in der männerdominierten Breakdance-Szene mit Mut, Geduld und Verbundenheit ihren Weg finden. So wie sie aus eigener Begeisterung kreativ für Veränderungen intervenierten, können sie uns kraftvoll inspirieren und bewegen. Ein Weg mag sein, wie es auch in Berlin benannt wurde, sich als Politik und Kultur auf Kanälen der Tech-Konzerne wie TikTok einzumischen, um rechtsradikalen, diskriminierenden und rassistischen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Bunt funkelt es vor Ort: Am letzten Wochenende hat das transkulturelle Ölbergfest gezeigt, wie sich ein sonst zugeparktes Viertel in temporären Freiraum verwandeln kann. Am kommenden Freitag laden Färberei und Mobile Oase um 19 Uhr zum Film „Varieté Utopolis“ ein: Utopistische Beispiele aus der ganzen Republik inspirieren als künstlerische Interventionen facettenreich für ein kooperierendes Miteinander. Parallel transformiert DJ, Naturfreund und Biologe Dominik Eulberg mit seiner multimedialen Biodiversitätsshow mit Vortrag und Live-Musik auf der Pop-up-Buga am Platz am Kolk.

Dort gastiert am Dienstag, 25. Juni, um 16.30 Uhr – als Teil der vielseitigen InnenBandStadt-Aktionen – der „Insel Kulturgarten on Tour“ mit der Spoken Word-Künstlerin Phyllis Quartey: Im Ringen um Verständigung und Würde werden Stadtgrün, Bäume und Wurzeln zu bewegenden Akteurinnen. Die Bundesgartenschau 2031 ist eine Chance, über reines Marketing hinaus mit ökologischem Tiefgang und Kreativität die Stadt für und mit allen zu wandeln. Eine von der Stadtverwaltung unterstützte bündelnde Reallabor-Struktur ist gefragt: Wir brauchen ein Ressort für kreative Stadtentwicklung – mit mutigem Raum für Selbstreflexion, um inspiriert und mit Tiefgang gemeinsam unsere Stadt, Verständigung und Würde zu gestalten.

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