Lebensmittel-Verschwendung Wuppertaler Tafel: „Würden wir nicht abholen, ginge es in die Tonne“

Wuppertal · Kann ein Anti-Verschwendungs-Gesetz für Lebensmittel in Deutschland funktionieren? Die in Wuppertal ansässigen Supermärkte schweigen dazu. Die Tafel holt bereits heute nicht mehr verkäufliche Lebensmittel ab.

Manchmal schmeißen Supermärkte ihre Ware weg, wenn sie nicht vorher durch die Tafel abgeholt wird.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Lebensmittelverschwendung durch Supermärkte bleibt ein aktuelles Thema. Diskussionen zu Recht und Moral entbrennen nicht selten, wenn genießbare Ware aus Markt-Mülltonnen geholt wird und die Retter oder Täter, je nach Sichtweise, für das sogenannte Containern verurteilt werden. Teilweise löst das viel Empörung aus; gegen die undurchsichtige Logik wurden in einem jüngeren Fall mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt.

Einige Länder, wie Frankreich oder Tschechien, packen das Problem bei der Wurzel und verpflichten Supermärkte zur Abgabe nicht verkaufter, aber noch essbarer Lebensmittel an karitative Zwecke. In Deutschland ist die Spende solcher Ware keine Pflicht; Linke und Grüne haben bisher erfolglos im Bundestag versucht, das Containern zu entkriminalisieren. Das Bundesverfassungsgericht entschied kürzlich, diese Tat dürfe weiterhin als Diebstahl bewertet werden und berief sich dabei auf das Interesse der Märkte, unverkäufliche Ware zu vernichten, um nicht haftbar gemacht werden zu können.

Nachfragen bei den Wuppertaler Supermärkten lassen erkennen, dass das Thema unangenehm ist. Eine Mitarbeiterin verweist auf die Marktleiterin, die wiederum auf die Zentrale. Öffentlich Stellung beziehen möchte sie auf keinen Fall, versichert aber, dass die Tafel täglich vorbeikommt, um betreffende Lebensmittel abzuholen. Nächster Supermarkt, ähnliches Spiel: Der Leiter erklärt, er dürfe nichts sagen, es sei ratsam, sich an die Zentrale zu wenden. In einem weiteren Discounter sagt ein Mitarbeiter, man werde Unverkauftes via Foodsharing los. Namentlich zitiert werden will er nicht.

Die Tafel fährt die Märkte täglich an, um Lebensmittel zu holen

Persönliche Fragen in den Zentralen möchte niemand beantworten, lieber werden in einer schriftlichen Stellungnahme werbewirksame Aktionswochen gegen Lebensmittelverschwendung beschrieben. Für die Sensibilisierung der Kundschaft, versteht sich. Um der eigenen Verschwendung entgegenzuwirken, senkt man vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums die Preise und leitet nicht verkaufte, essbare Güter an die Tafeln weiter, jedoch nur aus einzelnen Warensegmenten. Hier gebe es im Sinne des Verbraucherschutzes teilweise keinen Handlungsspielraum, etwa bei Fleisch. Keine Antwort hingegen gibt es auf die Frage, ob die Unternehmen hinter einem Gesetz zur verpflichteten Spende stünden.

„Ich empfinde das nicht als Tabuthema“, nimmt Peter Krampen, Zweiter Vorsitzender der Wuppertaler Tafel, die Firmen in Schutz. „Unsere Supermärkte spenden alle“, weiß er und berichtet von guter Zusammenarbeit. Jedoch kann er Grauzonen nicht ausschließen und sagt deshalb zu einem Abgabe-Gesetz: „Man sollte das auch hier einführen, dann wird klipp und klar dazu verpflichtet.“ Die Tafel fährt täglich viele Supermärkte an, um Essen abzuholen. Ist das Voraussetzung für Spenden? „Das würde ich blind unterschreiben. Würden wir nicht abholen, ginge es in die Tonne“, ist Krampen sich sicher.

Bettina Brücher von den Grünen leitet den Umweltausschuss des Wuppertaler Stadtrates. Zwar ist Lebensmittelverschwendung durch Supermärkte hier noch nicht auf den Tisch gekommen, Brücher ist aber überzeugt: „Ich fände gut, wenn es in Deutschland gesetzlich geregelt würde. Es kann ja nicht sein, dass brauchbare Lebensmittel weggeworfen werden.“ Doch auch sie nimmt Märkte und kleinere Nahrungsmittel-Geschäfte als kooperativ wahr; sie denkt: „Viele kleine Vereinbarungen werden getroffen, ohne es an die große Glocke zu hängen.“ Allgemein sieht sie Wuppertal auf einem guten Weg: „Es werden immer mehr Kontakte geknüpft in der Stadt, es gibt viele kleine Initiativen.“