Motorsport Bergmeister sagt dem Rennsport ade

Langenfeld. · Jörg Bergmeister hat viel in seiner Rennsportkarriere erreicht, nun möchte er aufhören.

Der Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans war eine Premiere für Jörg Bergmeister. Dieser Titel war heiß ersehnt.

Foto: Porsche AG

Jörg Bergmeister sitzt entspannt da. Weil er sicher ist, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Beim Prolog zur Saison 2019 in der spanischen Metropole Barcelona wussten nur ein paar Eingeweihte Bescheid. Der Langenfelder kletterte für Project 1 aus Lohne (Niedersachsen) hinter das Steuer eines Porsche 911 RSR. Wie in der „Super Season“ 2018/2019. Wie am 16. Juni bei den 24 Stunden von Le Mans, die das Projekt in seinem ersten Jahr in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) zum Weltmeister macht. Der Gedanke ist bei ihm schon länger da, wann der passende Zeitpunkt zum Aufhören gekommen sei. Selbst der motorsportverrückte Jörg Bergmeister kann schließlich den natürlichen Lauf der Dinge nicht einfrieren. Nach Abwägung aller Gründe dafür und dagegen steht sein Entschluss fest: „Ich höre auf.“ Das Ende der Karriere heißt auch: Beim Start in die neue Saison kürzlich in Silverstone ist zwar das Weltmeister-Team wieder dabei, aber Bergmeister nicht.

Bergmeister bot auch den jüngeren Fahrern die Stirn

Jörg Bergmeister (l.) mit seinem Kollegen Egidio Perfetti.

Foto: Porsche AG

An Versuchen, ihn zum Weitermachen zu überreden, hat es nicht gefehlt. Der Norweger Egidio Perfetti etwa, der sich mit dem US-Amerikaner Patrick Lindsey und Bergmeister am Steuer des Weltmeister-Autos abwechselte, wäre gerne weiter zusammen mit dem Langen (über 1,90 Meter) aus Langenfeld auf die Jagd nach Zeiten und Siegen gegangen. Pascal Zurlinden, der bei Porsche den GT-Werksmotorsport verantwortet, hatte es bereits vorher klargemacht: „Jörg entscheidet.“ Der Umworbene stieg dann tatsächlich aus, obwohl Project 1 diesmal sogar zwei 911 RSR in der Serie starten lassen kann. „Ich will einfach nicht an den Punkt kommen, an dem es nicht mehr geht. Ich will nicht, dass sie mich aus dem Auto raustragen.“ Jener Zeitpunkt ist nicht direkt in Sicht – wie etwa der Prolog eindrucksvoll zeigte, als der 43-Jährige mindestens auf demselben Niveau wie zum Teil deutlich jüngere Werksfahrer-Kollegen über die Strecke raste.

In den USA ist Bergmeister beliebt.

Foto: Park Place Motorsports

Jörg Bergmeister blickt auf eine Karriere zurück, die er sich in dieser Form selbst nicht direkt hätte träumen lassen. Ein ganz wesentlicher Baustein: „Ich habe sehr viel meinem Vater zu verdanken.“ Kein Wunder: Willi Bergmeister, der Sohn des Motorrad-Werksfahrers (Zündapp, Herkules) Wilhelm Bergmeister, war immer ein leidenschaftlicher Förderer, der auch viel forderte – bis sein Herz am 9. Juli 2013 völlig unerwartet zu schlagen aufhörte. Am Mittwoch (25. September) wäre Willi Bergmeister 70 Jahre alt geworden. Vielleicht wird er seinen Sohn irgendwie wissen lassen, dass er mit der Entscheidung einverstanden ist. Eine Laufbahn im Millionenspiel Motorsport lässt sich nicht bis in den kleinsten Winkel planen – selbst bei größtem Talent nicht, selbst bei leidenschaftlicher Unterstützung der Familie nicht. „Ich habe auch Glück gehabt“, räumt Jörg Bergmeister ein, der hin und wieder zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen traf. Er zeigt in die andere Richtung: „Ohne ihn wäre ich nicht so weit gekommen.“ Gemeint ist Berthold Grafweg, ein enger Freund der Familie.

Der Kontakt zu Johnson Controls kam beim Friseur zustande

Heiter: Jörg Bergmeister gilt noch heute als extrem ehrgeizig und fokussiert. Zum Lachen geht er aber nicht in den Keller.

Foto: Porsche AG

In seinem Friseur-Salon lernte Bergmeister damals den Repräsentanten jener Firma kennen (Johnson Controls), die ihn auf seinem Weg bis zum Triumph im Porsche-Supercup begleitet. Als der seinerzeit 26-Jährige 2002 in den Kader der Werksfahrer aufgenommen wird, beginnt endgültig der Aufstieg zu einem international anerkannten Top-Fahrer.

Es gibt in der Rückschau nicht das eine besondere Erlebnis, das Jörg Bergmeister an die oberste Stelle rückt. Erinnern wird er sich trotzdem an viele schöne Momente – unter anderem an die 24 Stunden von Daytona 2003. Das Fahrerquartett, das aus den Deutschen Timo Bernhard und Bergmeister sowie den beiden Amerikanern Kevin Buckler und Michael Schrom bestand, schaffte im Porsche der „Racers Group“ den Gesamtsieg vor den deutlich stärker motorisierten Autos der Prototypen-Klasse – eine Sensation. Einmaliges brachte zudem das Jahr 2006, in dem Bergmeister sowohl in der Grand Am Sports Car Series als auch in der American Le Mans Series (ALMS) den Titel holte. Insgesamt stehen auf seinem Konto fünf ALMS-Meisterschaften. Nicht weniger außergewöhnlich: 2008 unterstützte Jörg Bergmeister seinen älteren Bruder Tim (44) in der Serie ADAC GT Masters. Fast klar: Bergmeister/Bergmeister gewannen den Meisterpokal.

Jörg Bergmeister gilt in der Szene als kritischer Geist, der immer seine Meinung äußert – und gerade deshalb gefragt ist. Und eigene Schwächen? „Natürlich habe ich Fehler gemacht“, betont er, „da bin ich ehrlich zu mir selbst.“ So passierte es bei einer seiner zahlreichen Le-Mans-Teilnahmen, als das Aus im Rennen auf seine Kappe ging.

Insgesamt ist Jörg Bergmeister einfach froh, dass ihm die allermeisten Dinge ganz gut geglückt sind: „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das so lange machen durfte.“ Seine Freundin Lisa und die Kinder Lucy (13) und Leo (2) werden in Zukunft vielleicht etwas seltener auf ihn verzichten müssen. Andererseits: Am Wochenende gönnt sich Bergmeister noch einen sportlichen Nachschlag: Auf seiner Heimatstrecke Nürburgring startet er für das Team „Falken Motorsports“ bei einem Lauf der Serie VLN. Es ist wie eine winzige Hintertür, um hin und wieder die eigenen Fähigkeiten zu testen. Was die berufliche Zukunft sonst bringt, ist dafür noch völlig offen für den Langenfelder. Für jetzt weiß Jörg Bergmeister auf jeden Fall, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.