3000 Junglehrer stehen in NRW auf der Straße
Land verhängt Einstellungsstopp. Dilek Engin (31) will lieber kellnern als Hartz IV kassieren.
Wuppertal. Als sie in den Beruf starteten, hatte man den 3800 angehenden Gymnasiallehrern in NRW gesagt, es gebe wegen Lehrermangels ausreichend Stellen für sie. So jedenfalls erinnert sich Dilek Engin. Die Referendare aber, die im vergangenen Februar ihre Prüfungen abgelegt haben, stehen nun auf der Straße. Das Schulministerium hat einen Einstellungsstopp verkündet. Und weil aus Kostengründen das Referendariat von 24 auf 18 Monate verkürzt wurde, bekommen die Betroffenen statt Arbeitslosengeld übergangslos Hartz IV.
„Sie sind schwer vermittelbar“, sagte man Engin beim Jobcenter. Die 31-jährige gebürtige Wuppertalerin ist Gymnasiallehrerin für Deutsch und Sozialwissenschaften. Auch ihr sei zu Beginn des Referendariats gesagt worden, es werde zukünftig genug Stellen geben. Doch dann trafen die Verkürzung des Referendariats und der doppelte Abiturjahrgang aufeinander.
Zur Mitte des Schuljahres sind ohnehin keine regulären Stellen ausgeschrieben, nur die Vertretungsstellen für Krankheitsfälle oder Schwangerschaften. „Ich habe mich seit Mitte Februar um 100 Vertretungsstellen beworben“, sagt Engin. Zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen hat sie bekommen. „Bei einer Schule hat die Schulleiterin mich gefragt, ob ich wisse, dass es sich um eine Grundschule handelt.“ Natürlich wisse sie das, „aber ich will kein Hartz IV beantragen“. Auch, wenn das bedeute, dass sie sich wie eine Kollegin als Servicekraft bewerben müsse — kellnern wie im Studium also.
Den Nöten der Jung-Lehrer begegnet das Schulministerium mit Unverständnis. „Wir haben in unseren Bedarfsprognosen schon vor zwei Jahren auf den doppelten Abiturjahrgang hingewiesen“, sagte ein Sprecher. Weil ab dem kommenden Schuljahr weniger Schüler an den Schulen seien, sei der Lehrerbedarf gesunken. Deshalb hat die Landesregierung einen Einstellungskorridor eingerichtet. Auch darauf habe man immer hingewiesen.
Einstellungskorridor bedeutet, dass nur 1000 Stellen über dem eigentlichen Bedarf besetzt werden — davon bereits 300 von Referendaren, die zum 31. Januar ihr Examen abgelegt hatten. Wie schon für die Zeit bis zum 1. August (dem regulären Einstellungstermin) habe man den übrigen rund 3000 Referendaren gesagt, sie sollten sich auf Vertretungsstellen bewerben oder es an Kolleg- und Gesamtschulen versuchen.
„Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass sich die Situation relativ schnell wieder normalisiert“, sagte der Ministeriumssprecher. Bei der Übergabe der Examenszeugnisse am 16. April wollen die Lehramtsanwärter jedenfalls nicht ausgelassen feiern, sondern auf ihre Misere hinweisen: „Wir organisieren einen Aktionstag.“