60 und kein bisschen leise: Die Senioren-Rockband

Volkslieder und Kirchenchor sind nicht ihr Ding: Die Senioren-Rockband lässt es krachen.

Düsseldorf. Beatrix Wirbelauer wippt mit dem Fuß im Takt, den roten Bass hat sie sich lässig umgeschnallt. Gitarrenklänge, Schlagzeug und zweistimmiger Gesang kommen aus dem Proberaum. „Ein bisschen laut“, beschwert sich jemand draußen auf dem Flur. „Das ist nicht laut, das ist schön“, schallt es zurück. Wirbelauer ist 60 Jahre alt und damit die Jüngste in ihrer Band. Mit ihren kupferroten Haaren fällt sie unter den grauen Köpfen der anderen Musiker auf. Hätte man ihr vor einem Jahr erzählt, wo sie heute steht, sie hätte es nicht geglaubt. Dabei stammt die Idee zum Projekt Rockband 60plus von ihr selbst.

Im Rahmen ihrer Fortbildung in Kulturgeragogik, ein Studiengang an der FH Münster, der sich mit Kultur und Bildung für Ältere befasst, suchte sie nach einem Praxisprojekt. Die Idee, eine Rockband für Leute jenseits der 60 zu gründen, kam ihr schnell. „Schließlich bin ich ja meine eigene Zielgruppe“, sagt Wirbelauer. Doch die ersten Anläufe führten zu nichts: Egal, wohin sie sich mit ihrer Idee wandte, sie fand keine Mitstreiter. „Die meisten sagten mir, Senioren hätten ganz andere Themen. Rollatoren-Beschaffung zum Beispiel — aber das ist doch völlig absurd.“

Das fand auch Lars Dannenberg. Der Inhaber der Düsseldorfer Music Academy war gleich von der Idee begeistert: „Beatrix hat bei uns offene Türen eingerannt“, erzählt er. 40 Leute sind heute beim Projekt dabei, aufgeteilt in verschiedene Bands.

Lars Dannenberg leitet die Proben. Während eine sechsköpfige Truppe „Have you ever seen the Rain“ von Creedence Clearwater Revival übt, stützt er die Arme auf sein Klavier und lächelt zufrieden. Dannenberg ist vom Enthusiasmus der Senioren begeistert. Etwas, das er bei den Jugendlichen manchmal vermisst.

Ansonsten gibt es kaum Unterschiede in der Arbeit mit jungen und alten Musikern. Auch die Senioren von „Faltenrock“, so nennt sich eine der Bands, müssen erst mal gebändigt werden, bevor es losgehen kann. Während der eine noch etwas erklärt, klimpert der nächste schon auf der Gitarre. Und dem dritten fällt auf, dass er noch kein Notenblatt hat — das ganz normale Chaos jeder Bandprobe.

Schnell einig werden sich die Oldie-Rocker bei der Songauswahl. „Wenn jemand einen Titel vorschlägt, dann summen und singen sofort alle los — außer mir, ich muss immer noch mal kurz überlegen oder nachsehen“, erzählt Bandcoach Dannenberg schmunzelnd. Im Moment geht es um die Songauswahl für ihren ersten großen Auftritt. Während einer Messe spielen die Senioren in der Arena auf Schalke.

Auch Sänger und Gitarrist Wolfgang Padel lebt seit der Bandgründung noch mal richtig auf. „Wir versuchen hier, unsere knochigen Finger wieder geschmeidig zu machen“, lacht er. Padel ist vor allem vom Sound der Band begeistert. „Unsere Stücke klingen so original“, meint er, „das liegt wohl daran, dass wir den Zeitgeist der Lieder, die wir spielen, auch tatsächlich in uns tragen.“ Dann greift er zum Mikrofon und schmettert die Zeile „there’s a calm before the storm“ — die Sache mit der Ruhe aber scheint hier übersprungen zu werden.