Freigang schon 2017 möglich Aibling-Fahrdienstleiter darf auf frühere Entlassung hoffen
Traunstein (dpa) - Der im Prozess um das Zugunglück von Bad Aibling verurteilte Fahrdienstleiter muss voraussichtlich nicht die gesamte Zeit im Gefängnis absitzen. Er darf wie andere Häftlinge auf eine vorzeitige Entlassung hoffen, wie es in Justizkreisen hieß.
Die achtmonatige Untersuchungshaft wird ihm angerechnet. Der Ex-Bahnmitarbeiter war am Montag vom Landgericht Traunstein wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung erwägt, in Revision zu gehen. Der Schuldspruch müsste dann vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe überprüft werden. Beim Zusammenstoß zweier Züge am 9. Februar in dem oberbayerischen Kurort starben 12 Menschen, fast 90 wurden verletzt.
Die vorzeitige Haftentlassung ist im Paragraph 57 des Strafgesetzbuches geregelt. Oft wird Häftlingen das letzte Drittel der Strafe erlassen. Schon nach der Hälfte der Zeit kann nur ein Ersttäter in Freiheit kommen, der zu maximal zwei Jahren verurteilt wurde oder wenn „die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen“. Diese Oder-Bestimmung wurde auf den Steuersünder und FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß angewendet, der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.
Kenner des Strafvollzuges zweifeln daran, dass der Fahrdienstleiter von Bad Aibling in den Genuss der Halbstrafenregelung kommt. Am Landgericht Traunstein wird auf den ähnlich gelagerten Fall der Brandkatastrophe von Schneizlreuth nahe Bad Reichenhall mit sechs Toten verwiesen. Dieselbe Strafkammer hatte einen Mann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil dieser Urlauber in einem Bauernhof ohne ausreichenden Brandschutz hatte übernachten lassen. Auch ihm wurde die Halbstrafenregelung nicht zugestanden.
Strafvollzugsexperten verwiesen darauf, dass sowohl beim Zugunglück von Bad Aibling als auch bei dem Brand in Schneizlreuth Menschen durch die Unachtsamkeit der Verurteilten starben. „Das ist nicht wiedergutzumachen“, sagte ein Insider am Landgericht. Schließlich habe der Fahrdienstleiter den Auftrag gehabt, Zuginsassen vor einer Gefährdung zu schützen. Stattdessen verursachte er das verheerende Unglück, indem er - noch dazu abgelenkt durch verbotenes Spielen am Handy - mehrere Signale falsch stellte.
Wegen der gravierenden Folgen seiner fahrlässigen Handlung darf der Fahrdienstleiter also lediglich darauf hoffen, dass ihm das letzte Drittel seiner Haft zur Bewährung erlassen wird - das wären 14 Monate. Unter Einbeziehung der am 11. April begonnenen Untersuchungshaft könnte der Familienvater im August 2018 frei sein - kurz nach seinem 42. Geburtstag.
Freigänger dürfte er indessen deutlich früher werden. Womöglich in der zweiten Hälfte 2017, so vermuten Justizkreise, könnte der Mann tagsüber außerhalb des Gefängnisses einer Beschäftigung nachgehen. Bei der Deutschen Bahn bekommt der heute 40-Jährige freilich keine Arbeit mehr. Zum Schlafen müsste er jeden Abend ins Gefängnis zurückkehren. Pro Jahr können ihm 21 Tage Urlaub gewährt werden, vorausgesetzt, er lässt sich in der Haft nichts zuschuldenkommen.