Als eine Übernachtung noch 20 Pfennig kostete

Eine Idee wird 100 Jahre alt. Das Bett muss der Gast immer noch selbst machen.

Düsseldorf. Ein dickes Gewitter überraschte den Lehrer Richard Schirrmann, als er mit seiner Klasse auf Wanderschaft im Bröltal war. Das Geld war knapp, und die wenigen Unterkünfte, die es damals in Gaststätten gab, kamen nicht in Frage. So fand der naturverbundene Lehrer eine Schule als Notlager für seine Klasse. Und während nachts der Regen gegen die Scheiben trommelte, wuchs in ihm die Idee der Jugendherbergen heran.

Das war am 26. August 1909. Hundert Jahre später begrüßt das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) pünktlich zum Jubiläum sein zweimillionstes Mitglied. Geblieben ist über all die Jahre hinweg die Grundidee: "Wir verfolgen nach wie vor ideelle Ziele wie Menschen unterschiedlicher Herkunft oder Überzeugung zusammenzubringen, die Natur zu schützen und unterstützen pädagogisch sinnvolle Freizeitaktivitäten", fasst Knut Dinter, Sprecher des DJH zusammen.

Freilich ist nicht alles gleich geblieben: "Von der Idee der Mithilfe sind wir inzwischen abgerückt." Geschirr spülen und Kartoffeln schälen gehören der Vergangenheit an, lediglich die Betten muss man in der modernen Jugenherberge meist noch selbst beziehen.

So manches Jugendgästehaus gleicht heute eher einem Hotel und lässt an Angeboten nicht zu wünschen übrig: "Es gibt sogar Häuser wie das in Nettetal-Hinsbeck mit eigenem Zirkus, oder mit Hochseilgarten, wie das in Hellental in der Eifel", sagt Dinter. Immer mehr profilieren sich die Herbergen heute über verschiedene Kursangebote - das Spektrum reicht von Paragliding bis Korbflechten.

Früher gab es da etwas andere Prioritäten: "Wichtig war das Füße waschen, vor allem nach langen Wanderungen", weiß Bernadette Lange, Pädagogin des heutigen Museums Burg Altena. Dafür gab es eigene Becken. Einen Waschraum mit Dusche gar gab es allerdings in der ersten 1914 dauerhaft eingerichteten Jugendherberge in der Burg Altena noch nicht. Der einzige Schlafsaal der Herberge wurde mit Vorhängen in Jungen- und Mädchenzimmer geteilt, eine Heizung war nicht vorhanden. Eine Übernachtung kostete 20 Pfennig.

In ihrer hundertjährigen Geschichte gab es immer wieder Diskussionen, wie sich die Jugendherberge dem Zeitgeist anpassen sollten: In den 20ern ging es darum, ob es Herbergen - die ja die Verbundenheit mit der Natur fördern sollten - in Städten geben darf. In den 50ern fanden dann viele das Verbot, motorisierte Gäste - also keine Wanderer - aufzunehmen, veraltet. Und in den 60ern hatte die aktive Programmgestaltung der Herbergs-häuser ihren Anfang.

Inzwischen gibt es ein weltweites Netz aus 4.000 Herbergen, 548 Häuser stehen in Deutschland. Doch es hat sich auch eine Konkurrenz herausgebildet: Sogenannte "Hostels" sind oft bunt und liebevoll eingerichtet, bieten Extras wie Brunch bis zum Mittag und um dort zu übernachten, braucht man keine Mitgliedschaft.

Für Dinter stellen sie aber keine wirkliche Konkurrenz dar: "Wir haben ein völlig anderes Konzept", sagt er: "Wir sind nicht auf Gewinnmaximierung aus und setzten auf Naturschutz." Wird es die Jugendherbergen auch noch weitere 100 Jahre geben? "Natürlich, davon bin ich überzeugt", sagt Dinter.