Am Halfter zur Heilung: Reittherapeuten verbinden Mensch und Tier
Warendorf (dpa/tmn) - Arbeiten mit Mensch und Pferd - so sieht der Alltag von Reittherapeuten aus. Wer sich dafür interessiert, braucht zweierlei: Berufserfahrung und reiterliches Geschick.
Direkt nach der Schule zum Reittherapeuten ausbilden lassen - das funktioniert nicht. Denn Reittherapie baut auf anderen Ausbildungen auf. Und: Reittherapie ist nicht gleich Reittherapie. Bei einem der ältesten Ausbilder in dem Bereich, dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR), gibt es für Interessenten gleich vier mögliche Berufszweige: Die Hippotherapie, die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd, die ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd und den Reitsport für Menschen mit Behinderung, erklärt Geschäftsführerin Ina El Kobbia.
Egal, für welchen Zweig sie sich entscheiden: Alle Bewerber brauchen einen Nachweis über die reiterliche Ausbildung und mindestens ein Jahr Berufserfahrung. In welchem Bereich, kommt dann auf den Zweig an, erklärt El Kobbia. „Der Hippotherapeut hat in der Regel mit Menschen zu tun, die Einschränkungen im Bewegungsapparat haben.“ Das sind zum Beispiel Unfallpatienten, Menschen mit Lähmungen oder Krankheiten wie Multiple Sklerose. Es ist also eher eine medizinische Behandlung, der Bewerber muss deshalb voll approbierter Physiotherapeut oder Arzt sein.
Bei der heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd brauchen Bewerber eine pädagogische oder psychologische Grundausbildung. Sie haben zum Beispiel mit Kindern zu tun, die an Aggressions- oder Konzentrationsstörungen leiden. Die heilpädagogische Schiene wird auch beim Förderkreis Therapeutisches Reiten angeboten - der zweite Ausbilder, den die Arbeitsagentur für Reittherapie hervorhebt. Den ergotherapeutischen Zweig beim DKThR können nur ausgebildete Ergotherapeuten machen.
Beim vierten Zweig, dem Reitsport für Menschen mit Behinderung, lassen sich Interessenten zu Trainern ausbilden. Sie können dann zum Beispiel gelähmten Menschen das Reiten beibringen. „Das geht bis zum Leistungssport“, sagte El Kobbia.
Wer sich für einen der Bereiche interessiert, sollte sich eins bewusst machen: „Es ist keine Tätigkeit, bei der ich dran denke, viel Geld zu verdienen“, erklärte El Kobbia. Was im Vordergrund stehe, sei nicht der Verdienst, sondern das Interesse am Mensch. „Es ist ein sozialer Beruf.“ Wer sich dafür entscheidet, brauche Spaß am Umgang mit Mensch und Pferd.
Die Dauer der Weiterbildung beträgt beim Kuratorium in der Regel ein Jahr und ist berufsbegleitend. Allerdings können Dauer, Kosten und Ausbildungsinhalte bei den verschiedenen Anbietern stark schwanken, denn: Der Beruf Reittherapeut ist nicht geschützt. „Es gibt auch Wochenendkurse und am Ende darf ich mich Therapeut nennen.“ Solche Angebote sieht El Kobbia skeptisch.
Nach der Weiterbildung rät El Kobbia den neuen Reittherapeuten, sich erst einmal zu etablieren und nicht sofort in die Selbstständigkeit zu starten. Viele Absolventen belassen es auch dabei, die Reittherapie nur nebenberuflich auszuüben.
Das therapeutische Reiten kommt zum Beispiel in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zum Einsatz, aber auch an einigen ganz normalen Regelschulen. Beim DKThR sind 150 Betriebe in ganz Deutschland registriert, die therapeutisches Reiten anbieten. „In den typischen Pferderegionen sind es etwas mehr“, sagte El Kobbia. Das sind zum Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen.