Am Mittelstreifen lauert der Tod

Straßenwärter leben gefährlich. Viele Autofahrer rasen ohne Rücksicht an den Baustellen vorbei.

Mönchengladbach. In den Sommerferien ist Großreinemachen auf den Autobahnen angesagt. Dabei leben die Straßenwärter-Kolonnen in ihren orangefarbenen Arbeitsanzügen gefährlich. „Von den Hängern mit den Warntafeln werden jährlich fünf bis zehn kaputt gefahren,“ sagt Andreas Raedt, Abteilungsleiter der Autobahnniederlassung Krefeld bei Straßen NRW, noch relativ gelassen. Die Tafeln weisen 300 und 500 Meter vor Wanderbaustellen die Autofahrer auf „Mäharbeiten“ hin und sollen sie zu Tempo 80 zwingen.

Bei dem Lkw mit dem blinkenden Pfeil verjüngt sich die A 61 bei Mönchengladbach auf einen Fahrstreifen. Dort führen Raedts Mitarbeiter Pflegemaßnahmen am Mittelstreifen durch. „Bei solchen Arbeiten sind in den vergangenen zwölf Monaten zwei meiner Straßenwärter zu Tode gekommen“, so Raedt, nun merklich blasser. „Es ist ein sehr gefährlicher Beruf. Die Autofahrer zeigen wenig Verständnis. Sie sehen uns als Verkehrshindernis.“

Raedt weiß von einer Baustelle, in der die Mitarbeiter in nur einem Meter Entfernung von den Pylonen arbeiten mussten, die den Verkehr der Nachbarfahrbahn abhalten sollen. „Erst war die Baustelle auf Tempo 80 eingerichtet“, erzählt Raedt. 150 der orange-weißen Kegel flogen den Arbeitern täglich um die Ohren, es herrschte Lebensgefahr. Mit Tempo 60 wurde es zwar besser, doch das Risiko blieb. Raedt: „Ein Tiefkühl-Lkw aus den Niederlanden fuhr so nah an mir vorbei, dass der nachfolgende Sog mir den Schutzhelm vom Kopf zog.“

Die Straßenwärter mähen die Ränder am Mittelstreifen der A 61 , kehren die Rinne und leeren die Gullis. „Sonst läuft das Wasser bei Regen nicht vernünftig ab. Es kommt zu gefährlichem Aquaplaning“, sagt Raedt.

Harald Pistel ist seit 32 Jahren Straßenwärter. Solange er in der Kabine seiner Mähmaschine sitzt, ist die Arbeit relativ entspannt. Sie ist schallgedämmt, die Fahrzeuge leuchtend orange und stabil. Der Stress fängt an, wenn der Straßenwärter raus muss. „Immer wieder verklemmt sich etwas Mähwerk“, erzählt Pistel. Ob es nun ein Stück eines geplatzten Autoreifens ist oder die Verpackung einer Fast-Food- Mahlzeit. Der Lärm ist ohrenbetäubend: Donnernd und pfeifend brausen die Fahrzeuge am Straßenwärter vorbei. Die Gefahr legt sich wie Blei auf die Brust. „Daran gewöhnt man sich nicht“, sagt Pistel, „Daran darf man sich nicht gewöhnen.“ Sobald man den Lärm vergesse und sich Routine einstellt, werde man leichtsinnig. „Das darf nicht passieren.“ Schulungen sollen helfen, die Sensibilität der Mitarbeiter aufrecht zu erhalten. „Am sichersten arbeiten wir, wenn Stau ist“, sagt Pistel.