Brüssel/Berlin. Tadao M. hat einen juristischen Sieg errungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zu Wochenbeginn entschieden, dass dem Homosexuellen nach dem Tod seines Partners eine Witwerrente aus einem berufsständischen Versorgungswerk zusteht. Ein Einzelfall - auf den ersten Blick. Doch Schwulen- und Lesbenorganisationen sehen das Urteil grundsätzlicher: als einen weiteren Etappensieg im Einsatz für vollständige Rechtsgleichheit von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe.
Über Nachteile im Beamtenrecht gab es schon Brüsseler Rügen
Denn Benachteiligungen gegenüber der Ehe gibt es im deutschen Recht noch eine ganze Reihe: So werden nicht nur, wie bei Tadao M., von berufsständischen Versorgungswerken die Ansprüche hinterbliebener Lebenspartner nicht anerkannt. Auch müssen eingetragene Lebenspartner nach wie vor ihre Einkommensteuer getrennt veranlagen und Nachteile bei den Erbschaftsteuersätzen hinnehmen. Einen besonderen Missstand hat die Europäische Kommission bereits im Februar per Mahnbrief bei der Bundesregierung angemeldet: Auch bei der Beamtenversorgung (zum Beispiel bei Beihilfen) werden Homo-Eheleute weiter wie Ledige behandelt. Hier habe Deutschland die EU-Vorgaben zur Antidiskriminierung nur unzureichend in eigenes Recht umgesetzt. Brüssel mahnte Nachbesserungen an - ein Druck, den nach Ansicht vieler Politiker das Urteil im Fall M. noch verstärkt. So spricht Grünen-Bundestagsabgeordneter Volker Beck von einer "Blamage für die konservative Rechtspolitik" in Deutschland; Ansgar Dittmer, Arbeitsrechtler und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schwule und Lesben in der SPD, sieht das Urteil als "wegweisend für die deutsche Rechtsprechung". Doch zu große Euphorie scheint verfrüht: Der EuGH sagt im Fall M. ausdrücklich, es sei Sache deutscher Gerichte, über die Vergleichbarkeit der Rechtssituation von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften abschließend zu urteilen. Entsprechend wertet das für beamtenrechtliche Streitfragen zuständige Innenministerium das EuGH-Urteil eher als Empfehlung denn als Handlungsauftrag. Das verwundert kaum, gilt das Schäuble-Haus ohnehin nicht als gesellschaftspolitisch allzu liberal. Zwar hat sich Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die gemeinsam mit dem Innenministerium an Berlins Antwort auf die Brüsseler Mahnung arbeitet, mehrfach für weitestgehende Gleichstellung der Homo-Ehe ausgesprochen. Aber unterm Strich herrscht in der Frage ein Patt in der Koalition - weitere Rechtsfortschritte für die Homo-Ehe dürften sich erst bei noch mehr Druck aus Brüssel ergeben.
Der Fall Tadao M. Rechtsstreit Tadao M. hatte im Jahr 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft (Archiv-Foto: erste Homo-Ehe in Bayern 2001) mit einem Kostümbildner begründet. Als sein Partner 2005 starb, beantragte M. beim Versorgungswerk der deutschen Bühnen eine Witwerrente. Das lehnte den Antrag ab: Laut Satzung hätten nur Ehepartner einen Anspruch auf diese Rente. Dagegen zog M. vor Gericht.
Urteil Unter Berufung auf europäisches Recht stellte der EuGH fest, dass bei berufsständischen Versorgungswerken eine Gleichbehandlung unabhängig von sexueller Orientierung stattzufinden habe. Die nationalen Gerichte müssen aber letztgültig entscheiden, ob die Homo-Ehe eine der Hetero-Ehe rechtlich gleiche Bindung darstellt.