Andrea Riccardi: Kämpfer für ein soziales Europa

Andrea Riccardi, der Gründer der Laienorganisation Sant’Egidio, wird mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Riccardi habe ein herausragendes Zeichen für die europäischen Werte des Friedens, der Solidarität und der Menschenwürde gesetzt, begründet das Direktorium seine Entscheidung.

Aachen. Andrea Riccardi wird sich am Donnerstag in eine lange Reihe von Trägern des Internationalen Karlspreises einreihen. Zugleich wird er daraus hervorstechen. Denn anders als Vorgänger wie François Mitterrand, Helmut Kohl oder Angela Merkel ist der 59-jährige Italiener kaum bekannt und sitzt nicht an den Schalthebeln europäischer Macht.

Mit ihm zeichnet das Aachener Karlspreis-Direktorium vielmehr einen Mann aus, der Europa durch soziales Engagement verändern will - und der damit für ein Europa der Bürger steht.

Riccardi habe ein herausragendes Zeichen für die europäischen Werte des Friedens, der Solidarität und der Menschenwürde gesetzt, begründet das Direktorium seine Entscheidung für den Gründer der katholischen Laienbewegung Sant’ Egidio.

Es setzt damit angesichts des anhaltenden Streits um eine EU-Reform ein deutliches Signal: Weil die Politik in Europa keine großen Fortschritte mache, werde ein Mann geehrt, der zeige, dass Europa "von unten wächst".

Riccardi war gerade 18Jahre alt und Gymnasiast, als er 1968 mit einer Gruppe von Freunden in Rom eine Gemeinschaft gründete, um armen Menschen mit Essens- und Kleiderspenden zu helfen.

Heute ist Sant’ Egidio eine der großen katholischen Laienbewegungen mit weltweit etwa 50.000 Mitgliedern in 70Ländern. In Deutschland gehören rund 2000 Menschen der Bewegung an.

Unter dem Dach der Organisation wird das Evangelium verbreitet, der Dialog zwischen den Religionen geführt und den Armen in der Welt geholfen. So veranstaltet Sant’ Egidio das jährliche Friedenstreffen der Weltreligionen in wechselnden Städten, so 2003 in Aachen.

Die Gemeinschaft führt zudem Schulen, in denen Kinder Lesen und Schreiben lernen, organisiert kostenlose Sprachkurse für Flüchtlinge und Asylbewerber, kämpft gegen die Ausbreitung des HI-Virus in Afrika und gegen die Todesstrafe.

Weltweite Aufmerksamkeit erregte Riccardi zu Beginn der 90er Jahre, als er während des Bürgerkrieges in Mosambik zwischen den Konfliktparteien vermittelte: Nach mehr als zwei Jahren Gesprächen - zumeist am Hauptsitz der Gemeinschaft, dem früheren Kloster Sant’ Egidio im römischen Stadtteil Trastevere, - wurde 1992 ein Friedensvertrag unterzeichnet. Die Gemeinschaft wird seitdem auch die "Uno von Trastevere" genannt.

Riccardi, der bis heute Motor von Sant’ Egidio ist, wird von Bekannten als vielseitig interessierter Mensch beschrieben, der einen sehr konkreten Blick auf die Probleme in der Welt habe. Ein Pragmatiker, kein Ideologe, der versuche, als Christ die Welt zu verändern.

Der Geschichtsprofessor wurde 1950 in Rom geboren und stammt aus einem eher liberalen Elternhaus. Das christliche Engagement entwickelte er als Schüler. Wegbegleiter attestieren ihm eine klare Vision für Europa: "Vereint, als in der Verschiedenheit

vereinte Europäer, werden wir in der heutigen Welt eine freundliche und solide Kraft sein: eine Quelle der Menschlichkeit", betonte er einmal.

Riccardi studierte Rechtswissenschaften, spezialisierte sich dann auf die Zeit- und Kirchengeschichte und arbeitet seit 1981 als Hochschullehrer, derzeit an der Universität Rom. Über Riccardis Privatleben ist wenig bekannt, nur soviel: Er ist nicht verheiratet und geht in seiner Freizeit gerne spazieren.