Andrea Sawatzki: „Ich lebe lieber im Hier und Jetzt“
Andrea Sawatzki über das Epos Borgia, hässliche Frisuren sowie Parallelen zwischen Renaissance und Gegenwart.
Berlin. Es ist eine Fernseh-Saga der Superlative: Rund 25 Millionen Euro kostete der bildgewaltige Sechsteiler „Borgia“ über Aufstieg und Fall jener Familie, die in der Renaissance zwei Päpste stellte. Die durch den „Tatort“ bekannt gewordene Andrea Sawatzki spielt Adriana de Mila, die strenge Haushälterin von Kardinal Rodrigo Borgia (John Doman).
Frau Sawatzki, hätten Sie gerne im 15. Jahrhundert gelebt?
Andrea Sawatzki: Nein, ich lebe lieber im Hier und Jetzt. Man konnte doch damals nie genau wissen, ob nicht an der nächsten Ecke ein Feind lauerte, der einem an die Gurgel wollte. Dazu kam die schlechte Stellung der Frau. Außerdem hätten mich die hygienischen Verhältnisse sehr gestört. Man konnte sich nicht richtig waschen, es gab keine Toiletten, und die aufwendigen Kleider konnte man nicht ohne fremde Hilfe an- und ausziehen.
Apropos Kleider: Haben Sie sich denn als vornehme Adriana gefallen, in den prächtigen Roben und mit der kunstvollen Frisur?
Sawatzki: Von der Seite fand ich die Frisur nicht wahnsinnig attraktiv, der flache Hinterkopf entspricht ja nicht unbedingt dem heutigen Schönheitsideal. Aber die Aufmachung passte natürlich zur Figur. Wenn ich in den Spiegel guckte, sah ich Adriana vor mir: blass, freudlos und streng in ihrem religiösen Fanatismus. Das hat mir das Spiel erleichtert, ebenso wie die schweren Samtkleider, in die ich eingeschnürt war und die mich zwangen, ganz gerade zu gehen.
„Borgia“ gilt als eine der teuersten Serien Europas. Gedreht wurde in Prag in einem echten Renaissancebau, 340 Kostüme wurden genäht. Haben Sie je zuvor so aufwändige Dreharbeiten erlebt?
Sawatzki: Nein, noch nie. Wir alle kamen jeden Morgen zum Set und fühlten uns wie in einer anderen Welt, weil diese Kulissen so unglaublich liebevoll gestaltet waren. Die Szenenbildner haben monatelang daran gearbeitet. Ich bin sehr stolz darauf, da mitgemacht zu haben. Ich glaube auch, dass die Zeit sehr realistisch wiedergegeben wird. Es ist gar nicht verkitscht, sondern auch erschreckend, was man da als Zuschauer sieht. Wenn man sich in diese Zeit begibt, ist das wie ein Albtraum, ein düsteres Bild von Hieronymus Bosch.
War es schwierig, sich in eine Frau hineinzudenken, die vor rund 500 Jahren lebte?
Sawatzki: Letztlich war es gar nicht so schwer, denn bei allen Unterschieden: Die Wünsche der Leute von damals sind einem an sich nicht fremd. Triebhaftigkeit, verbotenes Verlangen, das Machtstreben um jeden Preis. Das quält viele Menschen auch heute noch. Nur gehen wir mittlerweile natürlich anders miteinander um. Früher wurde ein Machthaber, der zu lange mit einer Entscheidung zögerte, mal eben um die Ecke gebracht, heute diskutieren die Politiker viel — und am Ende kommt doch nichts dabei heraus (lacht).
Der Mensch der Renaissance war gar nicht grundlegend anders als ein Vertreter der „Generation Facebook“?
Sawatzki: Die Geschichte der Borgia ist sehr heutig, genau das hat mich überwältigt. Die wollten auf Biegen und Brechen weiterkommen, möglichst viel Erfolg haben — das hat mich durchaus an heute erinnert. Ich fand es sehr lehrreich, das alles mit unserer Gegenwart zu vergleichen. Heutzutage geht man zwar nur noch bildlich gesprochen über Leichen, aber gerade die Käuflichkeit vieler Menschen damals habe ich als einen Spiegel der Jetztzeit aufgefasst.